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Sie hatte schon zuvor ein wenig Pause gemacht, und wir hatten uns kurzzeitig getrennt. „Leute, hier ist es so wahnsinnig schön!“, sagte sie und setzte sich neben Johann in den Schatten. „Dieser Duft nach Thymian und die riesigen Wachholderbäume. Diese Hitze, die Luft flirrt ja geradezu. Habt ihr auch die Ziegen gesehen?“ „Hmm“, Johann nickte nur und gab ihr einen Kuss. „Welche Stadt ist das?“ Ich folgte Andreas’ Finger. Ein grauer Flecken in der Landschaft, so klein, so fern. „Halt irgendeine Siedlung. Von hier oben siehst du sowieso nicht mehr“, antwortete ich. Wir waren dem Lärm und dem Gestank der Städte entkommen, hier oben war alles friedlich und still. Andreas holte sein Handy heraus: „Leute, Thea hat sich den Fuß verstaucht, aber Dom ist bei ihr.“ „Frag sie, ob sie noch kommen wollen“, meinte Johann. „Ja, also Thea erholt sich kurz, dann laufen sie weiter.“ Unter uns lag ein weites Tal. Grün war es unten, etwa hundert Meter unter uns lief die Baumgrenze. Verschiedenste Grüntöne der Vegetation malten Muster an die Hänge. Irgendwo am Hang hatten sich auch die Menschen angesiedelt. Einsam lag ihr Dorf im Gebirge. „Was ist los?“, fragte Johann Lee, die gedankenversunken dasaß; sie überlegte: „Warum eigentlich gibt es in dieser Welt so viel Krieg und Streit?“ Sie sah Johann nachdenklich an: „Die Welt ist zu schön, um zu streiten.“ Er lachte: „Wenn sie nicht schön wäre, dann müsste man sich ja auch nicht streiten, oder?“ „Es gibt viel zu viele verschiedene Meinungen und Haltungen und Besitzansprüche von Menschen. Verschiedenste Gruppen haben verschiedenste Kulturen und Erwartungen an die Welt, und wenn diese sich nicht decken, dann kommt es zum Streit und vielleicht zum Krieg.“ Ich holte die Wasserflaschen aus meinem Rucksack: „Leute, ist für euch!“ „Aber irgendetwas muss doch alle Menschen verbinden und dann vereinigen können!“, sagte Andreas, nachdem er zwei kräftige Züge aus einer Flasche genommen hatte. „Naja, dass wir alle Menschen sind, oder?“, meinte Johann. „Wie meinst du das denn? Meinst du, dass wir biologisch alle gleich aufgebaut sind und grundlegende Triebe und Ängste teilen?“ Johann fiel mir ins Wort: „Nein, dass wir alle dieselbe Würde und dieselben Rechte besitzen.“ „Und das sagt wer?“, fragte Lee schmunzelnd. „Das Grundgesetz!“, verteidigte sich Johann. „Und du glaubst, das ist absolut?“, fragte ich weiter. „In unserem Staat schon.“ „Aber was meinst du eigentlich mit Recht und Würde?“, fragte ich Johann. Er überlegte kurz: „Wenn man die Würde eines Menschen bricht, dann erniedrigt man ihn, dann tut man ihm irgendwie weh.“ „Mir stellt sich nur die Frage, woher diese Würde kommt. Ein Stein hat doch keine Würde?“ „Nein, natürlich nicht.“ Johann schaute mich irritiert an. „Und was ist dann der Unterschied zwischen einem Stein und einem Menschen?“ „Das fragst du doch jetzt nicht wirklich?“, stieß er entsetzt aus. „Der Mensch lebt, er liebt, er hat ein Bewusstsein und seine Würde. Gott gibt dem Menschen seine Würde“, sagte er. „Und wenn man nicht an Gott glaubt, hat der Mensch dann keine Würde?“ „Wie sollte er?“, fragte Johann. „Wenn ich nicht an Gott glauben würde, würde ich mich wahrscheinlich fragen, wo das festgeschrieben sein sollte, dass ein Mensch, ein Materiehaufen eine Würde hat, anders als der Stein daneben“, meinte Lee. „Jedes Objekt besitzt eine Masse, ein Volumen, einen Lichtbrechungsfaktor, aber eine Würde? Woran sollte ich das erkennen?“, sagte ich. „Wir reden hier doch aber auf ganz verschiedenen Ebenen!“, wandte Lee ein und fragte: „Kann dir ein Physiker Leben, oder, noch krasser, Bewusstsein erklären?“ Bevor ich ihr antworten konnte, meinte Andreas: „Ich denke ja, dass gemeinsame Werte die Menschen verbinden. Unsere christlichen Werte hindern die Menschen, sich wehzutun. Außerdem schaffen sie Liebe und Gemeinschaft.“ „So?“, fragte Lee spöttisch, „Das Problem ist nur, dass es viele verschiedene Werte gibt.“ Ich seufzte: „Erst einmal müssen wir Werte definieren! Was würdest du sagen, Andreas, wie würdest du Werte definieren?“ Er überlegte: „Christliche Werte sind Nächstenliebe, Feindesliebe und …“ Er stockte. „Darf ich mich um eine Definition bemühen?“, fragte ich. „Wenn du eine hast“, meinte Andreas und gähnte. Ich sammelte mich kurz, sagte dann: „Werte sind das, was einem Menschen wertvoll ist, also was ihm sowohl begehrens- als auch beschützenswert scheint. Jetzt kann aber einem Menschen alles wertvoll sein, denn alles hat Potential, dem Menschen zu gefallen. Ob es jetzt Sparsamkeit oder Großzügigkeit, Reichtum oder Bescheidenheit, Feindesliebe oder der Patriarchismus, Gehorsam oder Selbstständigkeit ist. Alles kann dem Menschen wertvoll und deswegen ein Wert sein, alles. Daher halte ich es für unwahrscheinlich, dass es eine Zeit gibt, in der alle Menschen dieselben Werte haben und Werte die Menschen vereinen.“ „Du meinst also nicht, dass es absolute Werte gibt?“, fragte Lee und weiter: „Kann es denn nicht etwas geben, das Wert ist, auch wenn es kein Mensch wertschätzt?“ „Nein“, sagte ich und ergänzte: „Vor wem sollte es Wert haben? Werte sind ein menschliches Konstrukt, die Welt selbst kennt keinen Wert. Sie ordnet nicht einem gewissen Materiehaufen einen bestimmten Wert zu. Wie sollte das auch aussehen? Allein schon die Unterteilung der unendlichen Materiesuppe in unserem Universum in einzelne Objekte ist rein menschlich. Wir sehen den Baum als Baum und die Luft, die um ihn weht, als Luft. Aber wo liegt die Grenze zwischen Luft und Baum? Welche Materieschicht nehmen wir als Grenze? Mikroskopisch betrachtet gibt es sie vielleicht gar nicht!“ „Und wenn man überhaupt nicht weiß, wo ein Mensch anfängt, und wo er aufhört, dann kann man ihm auch keine Würde zuordnen!“, führte Lee meinen Gedanken fort. „Ihr denkt einfach zu materialistisch!“, sagte Thea. „Wenn man so denkt, dann kann man alles hinterfragen!“ „Die Behauptung, dass die Welt selbst Würde und absolute Werte kennt, kann man heute genauso wenig beweisen wie die Behauptung, dass sie Würde und absolute Werte nicht kennt!“, meinte ich. „Doch gehe ich vom zweiten aus, denn als Naturwissenschaftler stelle ich nur Naturgesetze auf, um mit ihnen messbare Vorgänge in diesem Universum zu begründen. Wenn mir beispielsweise irgendjemand erzählt, dass unser ganzer Raum von schwarzen Lichtwellen durchkreuzt wird, die aber keinen messbaren Einfluss auf unsere sichtbare Materie haben, dann soll er das glauben. Wenn er mir dann aber noch erzählt, dass ich mich deswegen so oder so zu verhalten hätte, dann nenne ich ihn einen Betrüger. Nur weil viele Menschen an das Konstrukt der Würde und des absoluten Wertes glauben, die wohl einigen Objekten unseres Universums anhaften sollen, macht das für mich keinen Unterschied!“ „Du darfst uns schon gerne deine Argumente vorlegen“, entgegnete mir Thea Lena, „aber manipulieren musst du uns nicht! Denn du vergisst die positiven Auswirkungen dieses Würden-Konstruktes auf unseren Alltag in einem Rechtsstaat, der unser aller Würde, und auch deine, als unantastbar beschützt.“ Ich nickte: „Man müsste es nur anders formulieren: Der Staat sollte jedem Menschen auf dieser Welt eine unverletzliche Würde zusprechen und nicht einfach davon ausgehen, dass jeder Mensch eine Würde besitzt!“ „Und wo liegt der praktische Unterschied?“, fragte Lee. „Es gibt keinen“, gab ich zu. „Und warum regst du dich dann so auf?“ Andreas räusperte sich: „Was ist also jetzt das Fazit unseres bisherigen Gesprächs?“ „Das Fazit ist, dass wir immer noch klären müssen, was Menschen verbinden kann, besser: wie Menschen friedlich zusammenleben können“, antwortete ich ihm. „Wobei, das ist auch noch nicht gut formuliert!“ Ich sammelte mich: „Vor einiger Zeit habe ich mir Gedanken darüber gemacht, welches Ziel eine gute Gesellschaft haben sollte. Der Liberalist würde sagen, dass jeder Mensch frei sein sollte, wobei es natürlich auch verschiedenste Meinungen gibt, in welcher Hinsicht. Der Sozi würde sagen, dass das Ziel soziale Gerechtigkeit sein sollte. Es gibt verschiedenste Ansichten, wann ein Staat gut ist, aber alle greifen irgendwie zu kurz, denn es geht doch nicht darum, dass ein Mensch bloß frei ist, es geht doch nicht darum, dass Geld gleichmäßig verteilt ist, es geht doch nicht darum, dass der Staat mit irgendwelchen Ideen von irgendwelchen Menschen übereinstimmt, sondern es geht allein darum, dass jeder Mensch in ihm glücklich ist. Und das ist dann auch das einzige Ziel, das über allem stehen könnte. Allein aus diesem einen Ziel ergibt sich, wie ein guter Staat aussehen sollte.“ „Nur eine Frage“, hakte Thea nach: „Wie sollte er denn aussehen?“ „Und was bedeutet glücklich?“, fragte Lee. „Das sind schon interessante Fragen“, meinte Johann. „Da lohnt es sich sicher, drüber zu reden. Ich will jetzt aber erst einmal essen und da kommen Dome und Thea. Hi Leute! Wie geht‘s? und wie geht‘s deinem Fuß, Thea?“ … |