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Leseprobe für das Buch Katja und Jule
Zwei Liebesgeschichten aus der DDR
von Hermann Jäger, Jaeger:

Leseprobe
S.97-99

Wohin zuerst schauen? Mich zogen das Ungewöhnliche am meisten an. Ich sah aus dem 'Fenster' nach unten. Du konntest die Arme auf eine überdimensionale Brüstung legen und in die Tiefe gucken. Die Felswand stürzte einige hundert Meter nahezu senkrecht hinab. An ihren Füß schmiegte sich Schneefelder. Sie waren zerfurcht von Lawinenspuren, die sich alle an zwei Seen trafen, als wäre die Superschneebälle Badengegangnen. Der eine blinkte schwarzblau herauf, der andere grünblau mit weißen Flecken, Schneereste auf Eis.
Je mehr du den Blick hobest, umso weiter verlor er sich in der Ferne. Nach Norden zu eine Staffel von Bergketten, die immer niedriger wurden. Dahinter musste irgendwo Teberda liegen. Im Süden schneebedeckte Gipfel, so weit du sehen konntest. Sie trugen Gletscher als Halsketten. Bäche und Wasserfälle waren ihr glitzerndes Geschmeide. Jedoch der König des Kaukasus, der Elbrus, zeigte sich ungnädig und hatte sich eine Wolkenmütze über sein Doppelhaupt gezogen.
Die fünf Stunden Aufstieg waren vergessen. Weißt Du, was ich dort oben empfand, lässt sich schwer beschreiben. Da bist du stundenlang geklettert, hast gekeucht, dir die Waden massiert. Abers schließlich hast du es geschafft, genau dort wo du hin wolltest. Du hat den Berg bezwungen, wie es so schön heißt. Darauf bist du stolz. So ähnlich mag es dir bei jedem sportlichen Erfolg zumute sein. Doch hier kommt das Erleben der Natur hinzu.
Wann haben wir Stadtmenschen das noch zu Hause, im Alltag? Wenn wir auf dem Wege zur Arbeit eine Abstecher durch den Stadtpark machen oder am Wochenende kurz mal in die Heide radeln? Vielleicht. Aber sonst? Ich finde, unsere Naturverbundenheit glimmt wie ein Rest Glut unter der Asche. Ein Blick zu den Wolken, ein bewusst wahrgenommener Amselruf lässt sich nicht ganz verlöschen. Nur der Urlaubswind bläst die Alltagsasche fort und lässt die Flamme auflodern.
So wirst Du es sicher erlebet haben, als Du im Bootslager mit den Mutigsten beim morgendlichen Schwimmen den Schlaf vertriebst. Ein Nebelschwaden über dem See oder ins Schilf huschende Blesshühner öffneten dir wieder Augen für die Natur. Doch das Tuckern der Fähre, das Jaulen der Sirene vom Reifenwerk und der Lärm der erwachenden Zeltstadt hinter Dir erinnerten Die daran, hier herrscht der Mensch, hier ist die Natur nur noch Beiwerk. Genießen die Müritz! Wenn Ihr im Sand spielt, zeige Sonja die Enten und Möwen.