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Leseprobe für das Buch Christoph Friedrich Blumhardt - Reich Gottes in der Welt
Texte aus Predigten, Ansprachen und Gebete
von Aquarelle: Hildegard Beck; Texte: Christian Buchholz:

Die Sehnsucht nach dem Reich Gottes und die damit verbundene Vorstellung der visionären Hoffnung, die nicht in das Jenseits abgleitet, sondern in die Gegenwart hereinragt, indem sie reale Gestaltungskräfte und seelische Energie freisetzt - das hatte Blumhardt von seinem Vater gelernt und begriffen. Zwar gab es im 19. Jahrhundert vielerlei Reich-Gottes-Vorstellungen und -Er-wartungen, aber die irdische und aktuelle Erfahrung der Nähe Gottes, das Hereinbrechen des Reiches Gottes, die Körperlichkeit des Evangeliums - das alles hatte Blumhardt als junger Mensch miterlebt, als durch die Kraft des gemeinsamen Gebets und der regelmäßigen Besuche Gottliebin Dittus, ein mit schrecklicher (wohl psychosomatischer) Krankheit belastetes Waisenkind, im Dorf Möttlingen am Rande des Schwarzwaldes im Winter 1843 zusammen mit ihrer Schwester geheilt wurde und eine bedeutsame Erweckungsbewegung begann. Der Vater war dort begnadeter Seelsorger: Schon kurz nach seinem Amtsantritt hatte sich die bisher 'leer gepredigte Kirche' wieder gefüllt. 'Jesus ist Sieger!' Unter diesem Ruf des geheilten Mädchens und mit dem darin ausgedrückten pastoralen Sendungsbewusstsein glaubte und arbeitete der Vater und später auch der Sohn, der 1880 nach dem Tod des Vaters die Leitung des Kurhauses in Bad Boll übernommen hatte: 'Es wird gesiegt. Ich segne dich zum Siegen.'[i] 1852 waren die Blumhardts nach Bad Boll gekommen, weil sich der Vater im kleinen Möttlingen weder entfalten noch die Familie die immer zahlreicher werdenden Gäste angemessen aufnehmen konnte. Das Kurhaus stand seiner Zeit zum Verkauf an und weist noch heute an der Fassade die Initialen des damaligen württembergischen Königspaares 'W' und 'P' aus (für Wilhelm I. und Pauline, unter deren Ägide es 1824 nochmals völlig renoviert und umgebaut worden war). In verschiedenen Biografien[ii] wird dieses W und P ganz im Sinn der Blumhardts (schwäbisch) gedeutet: 'Warten und Pressieren' (sich beeilen / bemühen).[iii] Das Reich Gottes können wir nur erwarten und gleichzeitig haben wir uns darum zu sorgen und dafür zu mühen. Es wird nicht von uns abhängig sein. Aber wir sind Gottes Mitarbeiter (heute möchten wir sagen: auch Mitarbeiterinnen, denn beide Blumhardts waren durch ihre Frauen und viele weibliche Hilfskräfte des Pfarrhauses bzw. des Kurhauses unterstützt - vielleicht sogar wesentlich beeinflusst worden).

Ein wunderbarer Brief des älteren Blumhardt an einen Rat suchenden Pfarrer drückt das Seelsorgeverständnis und die geistliche Praxis aus, in der Vater und Sohn gewirkt haben. Wieder sind es Gebet und Besuche, jetzt kommt das Bibelstudium dazu - und eine grundfreundliche Nähe zum Menschen: '... bei Krankenbesuchen bin ich nicht gewohnt, die Leute bis zu Bekenntnissen auszufragen. Ich nehme sie immer, wie wenn alles recht wäre, und komme so am leichtesten mit ihnen zurecht, daß sie von selber offen und treuherzig werden. Lassen sie jene Frau, wer sie ist, und tun sie nur Besuche der Liebe und Teilnahme, ohne etwas von seelsorgerlicher Inquisition merken zu lassen, dann wird ihr Besuch angenehm und fruchtbar sein.