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Leseprobe für das Buch Zensierte Erinnerungen oder: nach Westfalen, bitte von Herausgeber: Christa Weniger:

Italien, den 27.5.1918

Liebste Emilie und Else!

Heute habe ich deinen lieben Brief vom zweiten Pfingstfeiertag erhalten und habe mich sehr darüber gefreut. Nun will gleich sehen, ob ich auch ein Briefchen zusammen bekomme.
Wenn bloß bald der Krieg und damit die Schreiberei ein Ende nähme. Auch ich möchte dir viel berichten, aber es wird immer schwieriger. Es wundert mich, wie viel du mir stets erzählen kannst.
Mein Liebchen, du fragst, wie ich die Feiertage verbracht habe. Das habe ich dir bereits berichtet. Die Post wirst du sicher noch erhalten.
Hier ist ein Tag wie der andere, Sonntag, Montag, Feiertag. Es ist nicht wie zu Hause, wo man sein Weibchen ein bisschen necken, gemeinsam spazieren oder und was das Beste ist, abends schlafen gehen kann. Hier ist nur das bisschen Essen.
Arbeit gibt es genug.
Sonst verlebe ich alle Tage in großer Traurigkeit. Wie schön, wenn wir die Pfingstfeiertage gemeinsam hätten verbringen können.
Aber der verfluchte Krieg ist Schuld, wenn wir unglücklich sind. Hoffentlich kommt bald die Zeit, dass wir wieder zusammen zufrieden leben können. Wenn bloß recht bald der Krieg ein Ende fände. Man kann die Zeit gar nicht erwarten, aber es gibt keine guten Aussichten.
Herzlichen Dank für die Fotografien. Du bist mit unserem Töchterchen gut getroffen, aber nicht so schön wie früher. Das Bild hat wohl kein richtiger Fotograf gemacht.
Ihr wirkt beide recht mager. Seht ihr etwa in Wirklichkeit so schlecht aus? Du warst doch dicker, als ich in Urlaub war.
Vorgestern habe ich wieder geträumt, dass du bei mir bist. Da habe ich freudig geweint und dich geküsst, aber es war doch nur ein Traum.
Wie du schreibst, warst du die Feiertage bei Max und ihr seid mit Elschen etwas ausspaziert. Hauptsache es hat dir Vergnügen bereitet.
Ja, wenn die Witterung schön ist, zieht es einen an die frische Luft. Aber du bist ja täglich in der freien Natur.
Ich bin zu faul, um einige Schritte zu laufen. Lieber gehe ich schlafen, wenn das Wetter auch noch so schön ist. Höchstens spielen wir ein wenig Karten.
Wenn ich bei dir, meinem Weibchen, sein könnte, hätten wir schon mehr Vergnügen und Freude. Aber so ist mein Herz immer betrübt.
Ich gehe mit den Gedanken schlafen, was ich mit dir, meine Liebste, und mit Else tun würde, wären wir zusammen. Ich wünsche mir dies tagtäglich und kann es kaum erwarten, aber die Zeit will nicht kommen.
Immer wieder nehme ich dein Bild in die Hände und freue mich darüber.
Auch über deinen langen Brief.
Von Richard bekam ich heute einen Brief und er fragt mich, ob ich das Schreiben schon verlernt habe.
Er teilt mir mit, dass es zum ersten wieder weniger Brot geben wird. Sie wollen kein Ende machen, obschon sie bald nichts mehr zu fressen haben. Das wird noch sehr traurig werden, wenn nicht bald Schluss ist.
Auch bedankt er sich für die Sachen, die du den Kindern gekauft hast.
Seit gestern regnet es hier.
Für mich gibt es jetzt viel Arbeit mit der Munition. Ich musste schon zwei Nächte hindurch schleppen helfen.
Der andere Koch auch.
Das hat uns freilich nicht gepasst.
Auch Wache haben wir schon zwei Mal halten müssen.
Wenn nicht mehr so viel zu tun ist, habe ich wieder Zeit zum Schreiben.
So lebe wohl und sei gegrüßt und geherzt von deinem dich über alles treu liebenden Mann.
Viele Grüße auch an Mutter.
Eine kleine Bitte noch: Ich habe noch fünf Bogen Papier ohne Kuverts. Wenn du welche übrig hast, schicke mir bitte fünf Stück.
Paul und Richard muss ich auch noch schreiben. Mich wundert, dass du mein Foto noch nicht bekommen hast.


den 29.5.1918

Meine Liebste und Elschen!

Wieder einmal ist es nach dem Mittagessen. Wir genossen schönen Salat. Drei Mal hatten wir schon Spinat; er war sehr gut. Du weißt ja, dass man ihn auch für größere Mengen sehr gut vorbereiten kann und mit etwas Gutem dazu schmeckt er köstlich. Aber aus nichts kann man nichts machen. Bevor ich mich ausruhen werde, möchte ich dir schreiben.