Manuela Kinzel Verlag |
Informationen zu allen aktuellen Büchern |
Letzte Pressemeldung: NWZ 29.8.24 |
Letzte Pressemeldung: NWZ 14.10.24 |
Letzte Meinung zum Buch: Dämmerzustand |
Suche: Neuerscheinungen Alle Bücher anzeigen als E-Book erhältlich Belletristik Bildband Biographie Christliche Literatur Erfahrungsberichte Geschichte Gesundheit Kinder / Jugendgeschichten Lyrik Musik Mundarten Region Dessau Region Göppingen / Hohenstaufen außergewöhnliche Reiseberichte Sachbücher Theater Tier / Natur Weihnachten Sonderangebote Vergriffene Bücher | Zurück zum Buch Leseprobe für das Buch Zufälle, Lebensfragmente von Liane Rohn: Meine Kindheit? - Das war meine Großmutter, die mich liebte, mich ihren stets fröhlichen Sonnenschein nannte. Meine Eltern waren berufstätig, und der Vater außerdem im Krieg und danach noch zwei Jahre in Gefangenschaft. Wir lebten bei Großmutter im Haus. Sie war es, die mich und meinen Bruder aufgezogen hat. Dann der Unfall, für den sich Großmutter verantwortlich fühlte, obwohl ich mich, als Dreijährige, von ihrer Hand losriss und von einem Auto angefahren wurde. Ein Erlebnis, dass unsere Liebe noch vertiefte. Strenge gab es im Elternhaus nicht. Abgesehen von Regeln und Erwartungen, die einzuhalten und zu erfüllen waren. Höflichkeit gegenüber Erwachsenen, Dankbarkeit und einen Gruß erweisen gehörten zu Sitte und Anstand. Es gab auch Kurioses. So musste ich selbst gestrickte, meist kratzende Strümpfe tragen. Kniestrümpfe oder Kurzarmkleider durften erst bei einer bestimmten Außentemperatur aus dem Schrank geholt werden. Dann hauchte der ältere Bruder schon mal das Thermometer an, um die erforderliche Gradzahl zu erreichen und stolz zu verkünden, dass es nun Zeit sei für kurze Hosen und Sommerkleider. Vorwürfe wegen gelegentlicher weniger guten Zensuren gab es kaum. Vielleicht lag es daran, dass die Eltern selbst keine hervorstechenden Leistungen als Schulkinder oder im späteren Leben erbrachten. Ein Verhalten, das sich wohl nur wenige Ältere zu eigen machen. Dass mein Bruder und ich höhere Schulen besuchten, lag hauptsächlich an den Grundschullehrern. Wir wuchsen in einem kleinen Dorf auf, die Schulwege zu weiterführenden Schulen waren weit und beschwerlich und in den Kriegsjahren auch gefährlich. Nach vier Jahren als Mädchen an einer Knaben-Realschule wechselte ich in die Wirtschaftsschule und Fachschule für Wirtschaft und Verwaltung. Buchführung, Stenographie, Maschinenschreiben, Wirtschaftsenglisch, Wirtschaftsgeografie und Betriebswirtschaft hielt ich für mein späteres Berufsleben für wichtiger als Latein und Altenglisch. Anfang der 50er Jahre begannen in der ehemaligen DDR verschiedene Reformbestrebungen. Bodenreform und Schulreform standen ganz oben auf der Liste der gesellschaftlichen Veränderungen. Meine Schule, und mit ihr alle Fachschulen für Wirtschaft und Verwaltung, wurden geschlossen. Mit der Berufsbezeichnung Handlungsgehilfe und der Mittleren Reife in der Tasche versetzte man mich in die Abiturientenklasse, allerdings ohne die Aussicht, das Abitur auch tatsächlich ablegen zu können. Allenfalls die Perspektive an der Arbeiter- und Bauernfakultät der Universität Jena nach vier Semestern, in denen vor allem Gesellschaftswissenschaften auf dem Lehrplan standen, das Abitur zu erlangen. Dies war eines der wenigen Male in meiner Erziehung, an denen mein Vater meine Entscheidung bewusst beeinflusste. Er gab mir zu bedenken, wie ich dieses Studium aus ideologischer Sicht wohl verkraften würde. Sein eindrückliches Veto überzeugte mich und mein Entschluss stand fest: Ich suchte eine Arbeit, bei der zunächst Maschineschreiben und Stenographie verlangt wurden. Eine Zeit voller Zufälle begann: zehn Jahre voller Turbulenzen, Irrungen, Verirrungen, Sammlung wichtiger Erfahrungen im Guten wie im Unangenehmen. Zufälle, oder nennt man es Schicksal, bekamen in meinem Leben eine immer größere Bedeutung. Wenige Tage nach diesem Entschluss, auf der Rückfahrt von einem Theaterbesuch in Altenburg, machte ich im Zug eine folgenträchtige Bekanntschaft. 1950 waren die Züge schlecht oder gar nicht beleuchtet, ebenso die Plätze und Straßen. Lediglich vorbeihuschende Lampen an den Zuggleisen warfen für Augenblicke Licht in die Abteile. Ein Mann bot mir seinen Sitzplatz an. Nach der nächsten Haltestelle setzte er sich auf den freigewordenen Platz neben mich und begann ein Gespräch. Endlich jemand, |