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Die alltäglichen Begegnungen, also das Unbeabsichtigte am Rande, sind im Positiven wie im Negativen viel interessanter als die Sonntagsreden: die Verkäuferin, die meine Frau fragt, ob mir die Krawatte gefällt; der Zugbegleiter, der den Rollstuhl meiner Kollegin in den Wagen hochstemmt und ihr dann ein Bonbon schenkt - sie ist promovierte Leiterin eines Instituts; der Freund, der mich fragt: 'Kann ich dir helfen?', weil er weiß, dass ich selbst machen will, was ich selbst machen kann; die Ärztin, die mit Rücksicht auf meine Schwerhörigkeit langsamer, deutlich und mir zugewandt spricht - länger als die üblichen drei Sätze - und meine anerkennende Bemerkung lachend quittiert: 'Für mich ist es ja auch einfacher, wenn Sie mich verstehen.'Dialog auf 'Ohrenhöhe'. Nein, es erwartet Sie keine Anekdotensammlung. Ich möchte meine alltäglichen Erfahrungen reflektieren und verbinden mit dem, was ich als Theologe und als Psychotherapeut mit einer Ausbildung nach C.G. Jung weiß. Es geht um Erfahrung, nicht um richtig oder falsch. Ich gehe von mir aus und möchte Brücken schlagen zu Ihnen, möchte Ihnen 'auf dem Weg der Nicht-Diskriminierung ein paar Schritte entgegenkommen'[2], wie ich das in einer früheren Thesenreihe formuliert habe. Und ich hoffe, dass dabei deutlich wird, wie viel von dem, was den Umgang mit Behinderungen betrifft, ganz allgemein menschliche Fragen sind. Und oft sind es deshalb eben auch theologische, will sagen: an den Glauben rührende Fragen. Dass ein Mann nicht weinen darf, dass Gott immer ein 'lieber Gott'ist, dass wer krank ist, auf 'gute Besserung'ein Anrecht hat - für mich als Mensch mit Behinderungen sind sehr viele Selbstverständlichkeiten nicht mehr selbstverständlich. Und, weil einer mit einer Behinderung sich nicht mehr so sehr um sein Ansehen bemühen muss - 'Den Luxus kann ich mir nicht mehr leisten', sagt meine Kollegin Hella aus S. 70 kann man als Mensch mit Behinderungen auch offener zu seinen Schwächen und zu seinen Stärken stehen. Ich habe mir vorgenommen, ein Buch über meine Erfahrungen mit Behinderungen zu schreiben: also kein reines Sachbuch, aber eben auch nicht ohne Sachverstand, persönlich, aber nicht indiskret, subjektiv, aber mit Augenmaß. Nach der Lektüre einiger Seiten zitierte einer meiner Söhne seinen Kollegen Hans-Josef Lembeck: 'Auf eine bestimmte Weise hinzuschauen, heißt immer auch auf eine bestimmte Weise wegzuschauen.'Das ist wohl wahr, und er hat auch mit seiner Bemerkung Recht, ich würde hier immer nur als Mensch mit Behinderungen in Erscheinung treten und viel zu wenig mit anderen Seiten und Qualitäten, die auch noch zu mir gehörten. Dass dieses Buch kein vollständiges Bild von mir zeichnet, liegt am Thema. Schließlich will ich keine Biographie schreiben. Ich wünsche mir Leserinnen und Leser, die sich zum Nachdenken, zum Staunen und zum Fragen anregen lassen. Und ich widme dieses Buch meiner Frau Magdalene und meinen Söhnen Mark Stefan und Tilman Sebastian Lutz, die mir freundlich und geduldig, liebevoll, aber manchmal auch energisch über viele Schwierigkeiten hinweghelfen. Gottfried Lutz |