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Leseprobe für das Buch Todesangst zwischen Wolken und Blitzen von Sándor Kulman:

Der Tower Riga erlaubte uns den Direkt-Ausflug aus Lettland nach Estland. Wir hatten immer noch sehr starken Südwestwind. Wir spürten, wie der Rückenwind uns schnell voranschob in Richtung Tallinn. Wir ließen die Flugzeuge bis auf wenige Fuß über der Ostsee sinken und spielten mit den meterhohen Wellen. Der endlose Strand war nur für uns da. Wenn bloß dieser starke Wind nicht wäre! Wir kamen schnell vorwärts, doch die Rache des Windes wartete in Tallinn auf uns. Wir fühlten, dass er immer turbulenter wurde; der Himmel verdunkelte sich.

'Hagen, wir müssen vielleicht die Wasserfläche verlassen, weil der Wind spürbar stärker bläst', schlug ich auf unserer ‚Privat’-Frequenz vor.

'Ich hatte gerade vor, etwas höher zu steigen, weil die Sichtweite abnimmt. Hast du schon mal daran gedacht, dass wir in Tallinn vollen Seitenwind haben werden?' -

'Noch nicht, aber... du hast Recht!' Ich brach in Schweiß aus und ich glaube, man sah mir im Gesicht die Furcht an.

'Ich hoffe, wir können ohne Schwierigkeiten landen. Ich gehe auf die Frequenz von Tallinn', sagte Hagen.

'In Ordnung! Passt auf beim Landen, es könnte kritisch werden. Wir sehen uns in Tallinn!', verabschiedete ich mich. Nervös kaute ich an der Lippe. Die starken Windschübe und Turbulenzen machten unseren Flug immer schwieriger und unbequemer. Meine feuchten Handflächen wischte ich immer öfter an der Hose ab. Mario hielt sich an seinen eigenen Sicherheitsgurten fest, ich zog die meinen noch enger, für alle Fälle. Egal was passiert, du musst mit der Maschine zusammengewachsen sein! Der Tower von Tallinn teilte nichts Erfreuliches mit, denn sie gaben uns die Flughöhe vor: Wir durften tausend Fuß hoch fliegen, circa 330 Meter. Das ist keine allzu große Höhe! Falls etwas passieren sollte...!

Der Wind tobte mit vierzig bis fünfzig Knoten und blies quer zur Landebahn. Es war schon beängstigend! Dieser Teil des Fluges verlangte volle Konzentration und war eine starke physische Belastung. Unter uns tauchten die ersten Sumpfgebiete auf, und so erlebten wir schon erste Eindrücke, die an Skandinavien erinnerten. Diesen Abschnitt konnte man alles nennen, nur nicht einen erholsamen Flug. Wir atmeten erleichtert auf, als wir am Horizont Tallinn erblickten. Nur diesen starken Wind mit seinen Turbulenzen können wir jetzt nicht gebrauchen. Ich wünschte uns für die nächsten zehn Minuten Windstille! Doch mit der Natur kann man keine Kompromisse schließen. Sie reagiert nicht auf Wünsche. Und so kämpften wir weiter mit dem starken Südwestwind.

Wind! Wind! Starker Wind! Starke Windstöße! Starke Turbulenzen! Wir hatten echt Angst über Tallinn! Wir hatten Angst, mit unseren zerbrechlichen Maschinen zu landen, aber wir hatten keine andere Wahl. Wir mussten ’runter!

'...die Landebahn für Sie frei. Achten Sie auf den starken Seitenwind!', lautete die Warnung aus dem Tower. Hagen wagte als erster die Landung. Wir konnten sehen, dass er hart arbeiten musste, als er über die Landebahn gelangte. Ich reihte mich hinter ihm ein und hatte für alle Fälle einen größeren Abstand eingehalten, denn so könnte ich notfalls noch anderweitig reagieren. Die D-KPOL erreichte den Beton der Landebahn. In diesem Moment kippte eine starke Windbö Hagens Maschine zur rechten Seite. Wir dachten schon, dass sie mit der Tragfläche aufsetzt. Aber Hagen wehrte diese bösartige Windbö meisterhaft ab.

Jetzt waren wir an der Reihe! Die Angst schnürte mir den Hals zu. Um sie zu unterdrücken, sagte ich laut: 'Oh Gott! Hier muss ich landen!'

Meine Hände und Beine bewegten sich immer schneller. Ich versuchte, jeden seitlichen Schub abzuwehren. Mein Magen krampfte sich zusammen, ich hatte Angst.

'Kannst du das Baby herunterbringen?', fragte mein Co-Pilot besorgt.

'Ich glaube, mir bleibt keine andere Wahl', zischte ich durch die Zähne. Nachdem ich Höhenruder und Seitenruder aufeinander abgestimmt hatte, gelang es mir mit großem Kraftaufwand und voller Konzentration, die Maschine über die Landebahn zu bringen. Anschließend begann ich die Störklappen auszufahren und leitete den ‚gesteuerten Absturz’ ein. Die linke Fläche ließ ich im Wind hängen, die Nase richtete ich auf die Center Line. Dann fuhr ich die Störklappen voll aus und zog das Höhenruder bis zum Anschlag. So gelangten wir auf die graue Landebahn. Ich rechnete mit dem starken Seitenwind und drückte das linke Seitenruder mit voller Kraft. Trotzdem hatte ich große Probleme, das Flugzeug in der Spur zu halten. Die Ruder ließen sich nur schwer bewegen.

Die Landung war steinhart gewesen, weshalb ich schon Angst bekommen hatte, mit dieser harten Landung die Ruder verbogen zu haben. Bis zum Halt war die Maschine fast unlenkbar. Ich befürchtete, dass damit unser Nordkap-Abenteuer bereits hier in Tallinn beendet ist.

Nachdem wir die Maschinen auf der Abstellfläche festgezurrt hatten, überprüfte ich jede Schweißnaht, jede Aufhängung, jedes Seil und die Räder. Ich fand keine Veränderung! Dann fiel mir ein, dass die Ruder nur wegen des starken Seitenwindes nicht richtig funktioniert hatten.

'Hagen, du hast uns Angst eingejagt mit deiner Landung', sagte ich völlig aufgelöst, als ich unter meinen Füßen endlich festen Boden spürte.

'Ich habe selber einen Schreck bekommen, aber es ist mir gelungen, auf den ‚Füßen’ zu bleiben.' -

'Wir hatten schon geglaubt, dass der Wind euch auf den Kopf stellt. Als ich sah, was mit euch passiert, habe ich ernstlich um euch gebangt. Das war eine Meisterleistung von dir!' -

'Hauptsache, dass wir alle gut ‘drauf und die Maschinen nicht zerlegt sind!', lachte Hagen erleichtert.

'Es war schon eine sehr kritische Situation, aber ich habe Sándors Erfahrung vertraut', sprach Mario seine Gedanken aus.

'Du hattest nicht viel Auswahl', bemerkte Hagen ironisch.

Eine startende IL-62 zerriss unser Gespräch, meine Ohren schmerzten, als der Pilot die Turbinen auf Touren brachte. Wir waren nur Zwerge neben diesem Riesenvogel. Wir hoben unsere ständigen Begleiter auf, die Schlafsäcke und Zweimannzelte, und gingen zum Ausgang.

Immer wieder das gleiche Bild: Zollkontrollen, Grenzsoldaten. Wir schmunzelten über diese Prozeduren, aber die Diensthabenden erledigten ihre Arbeit mit großem Ernst. Sie stellten mehrere Fragen in ihrer Muttersprache, wir verstanden natürlich keine Silbe. Scharfsinnig kam ich darauf, wie es wäre, wenn wir es auf Russisch versuchen würden.

'Goworisch poruski?', fragte ich den nächststehenden Soldaten, ob er Russisch spreche.

'Da (ja)', kam seine Antwort. Und so haben wir mit einer Mischung aus Russisch, Deutsch und Englisch erklärt, was wir eigentlich hier wollen. Schließlich hatten sie uns verstanden, und wir konnten in die große Empfangshalle gehen, wo das auch schon freie Estland auf uns wartete. Wir merkten bereits hier, wie freundlich und hilfsbereit diese Menschen sind.

Wir waren verblüfft, denn gegenüber den Rigaer Preisen war Tallinn super preiswert. Hier in der Wartehalle hatten wir bald festgestellt, dass für uns alles bezahlbar ist.

Wir nahmen in einem Terrassen-Café Platz, um bei Kaffee und Kuchen die nächsten Schritte zu besprechen. Kaffee und Kuchen waren Spitze! Der Ausblick von hier durch die riesigen Glasscheiben schien endlos zu sein. Nur die Wolken am Himmel hatten es sehr eilig. Von diesem sicheren Platz aus zu beobachten, wie sie herumtollten, machte richtig Spaß. Jetzt störten sie uns nicht mehr.

Vor dem Gebäude standen unzählige Taxis, auf ankommende Reisende wartend. Einige Fahrer schliefen, andere rauchten mit gelangweiltem Gesicht wer weiß wie viele Zigaretten. Seit wann sie auf Fahrgäste warteten, wir wissen es nicht.

Nachdem wir in einem bunten Faltblatt eine billige Bleibe entdeckt hatten, entschieden wir, diese mit dem Taxi aufzusuchen. Mit Händen und Füßen versuchten wir dem Fahrer zu erklären, wohin wir gefahren werden möchten. Unter großen Schwierigkeiten hatte er uns verstanden und dies mit seinen Händen und glänzenden Augen angezeigt. 'Okay!', sagte er. Vielleicht war das sein ganzer englischer Wortschatz. Er fuhr mit uns durch die ganze Stadt, bis in ein ehemaliges russisches Wohnviertel. Dieses ‚moderne Ghetto’ bestand aus lauter vierstöckigen Häuserblöcken. Vor einem davon blieb er stehen und zeigte auf das heruntergekommene Gebäude. ‚Hotel!’, sagte er grinsend. Die ganze Umgebung war nicht sehr vertrauenerweckend.

'Wir sind in Russland! Hier hat sich noch nicht viel verändert, seit die Russen weg sind', bemerkte Mario zynisch. Ines schaute sich erschrocken um. Ihrem Gesicht konnte man die Frage ablesen: 'Wo sind wir hier bloß gelandet?!'

Wir bezahlten den Taxifahrer gut und gingen zum Eingang, der sich im Keller befand. An der ‚Rezeption’ standen zwei auffallend hübsche Mädchen. Zuerst dachte ich, dass wir in irgendeinem zweifelhaften Etablissement gelandet sind. Starker Parfümduft und modriger Kellergeruch, vereint mit dickem Zigarettenrauch, ergaben ein sehr ‚pikantes’ Luftgemisch. In dem schmalen Flur verbreiteten halb abgerissene Wandlampen ein gespenstisches Licht. Auf den ersten Blick war dieses ‚Hotel’ ziemlich abschreckend. Man konnte es eher mit einem heruntergewohnten Arbeiterwohnheim vergleichen als mit einem Hotel der Landeshauptstadt. Na ja, wir befinden uns jetzt in einer ehemaligen sowjetischen Großstadt, die jetzt die Hauptstadt Estlands ist. Aber es wird immer noch besser sein hier zu schlafen als in unseren wasserdurchlässigen Zelten. Hauptsache, dass es hier kaltes und warmes Wasser gibt und wir uns reinigen können.

'Ich hoffe wir sind hier nicht in einem Bordell gelandet', meinte Ines zweifelnd.

'Aus deinem Gesicht konnte man diese Gedanken ablesen, als du die beiden Mädchen mit weit aufgerissenen Augen angeschaut hast', sagte ich lachend.

'Mario! Du sprichst doch Russisch', schob Hagen Mario vor.

'Ach, das ist schon lange her!', wehrte dieser bescheiden ab und versuchte, sich davor zu drücken, mit diesen Mädchen reden zu müssen.

'Mario, hast du Angst vor den Mädchen?', bedrängte Ines ihn.

'Mario!', bohrte ich, 'Was ist los?' -

'Lasst mich mit diesem Blödsinn in Ruhe! Ich bin nicht schwul, wenn ihr das wissen wollt! Ich spreche nur kein Russisch.'

Wir kratzten unsere spärlichen Russischkenntnisse zusammen, weil die ‚Damen’ nur estnisch und russisch sprachen. Sie müssen uns verstanden haben, denn wir erhielten die Zimmerschlüssel.

Eins der Mädchen kam mit und zeigte uns das ‚Appartement’. Wir schauten in die ärmlich eingerichteten Zimmer. Die wesentlichsten Dinge waren in jedem drin: zwei weiße Betten, ein Tisch mit zwei Stühlen, ein Spiegel, Handtücher. Aber in den Ecken hingen hässliche Spinnweben, die Fenster waren mit Sicherheit schon lange nicht mehr geputzt worden. Zwei Nächte werden wir auch so aushalten. Wir legten unsere Sachen ab. Dann merkte ich, dass unsere Begleiterin noch in der Tür stand. Vielleicht wartete sie auf eine Reaktion.

'Charascho! Otschen charascho!', (gut, sehr gut) lobte ich. Sie lachte und ging aus dem Zimmer. Ich ging hinterher und schaute ihr nach. Ein Gedanke kam mir in den Kopf..., aber den verrate ich Ihnen nicht, ich dachte mit Sicherheit nicht an das, was Sie jetzt vielleicht glauben.

'Sándor, komm ‘rein! Lass die Mädchen!' -

'Mario, ich habe nicht an mich gedacht, sondern an dich! Wenn mein Russisch besser wäre, hätte ich sie gefragt, ob sie uns heute Abend in eine Disko begleiten würde. Leider konnte ich es ihr nicht erklären. Ich habe viel vergessen. Aber irgendwann früher...' -

'Ich würde das schon selbst sagen', unterbrach mich mein junger Freund mitten im Satz. Komm wieder ‘rein! Ich möchte dir etwas zeigen.'

Ich gehorchte. Er hob wortlos die Bettdecke, und Käfer einer mir unbekannten Art flüchteten in alle Richtungen, als das Licht auf sie fiel. Ich war mir aber sicher, dass es keine Wanzen sind. Ich hatte schon in einer Budapester Wohnung das ‚Glück’ gehabt, jene ‚Tierchen’ kennen zu lernen. Sie sind ekelhaft! Aber das hier waren keine Wanzen!

'Wir nehmen die Zudecken und schmeißen sie in die Vorzimmerecke. Ich brauche sie sowieso nicht, weil ich in meinen Schlafsack kriechen werde.' Ich fing an, das Bettzeug zusammenzupacken. In meinem Bett krabbelten keine Tiere.

'Das Wichtigste ist, dass wir nicht im Zelt schlafen müssen und die Möglichkeit haben uns zu waschen. Wir wissen nicht, was uns die nächsten Tage bringen und wie es erst wird, wenn wir hinter dem Polarkreis sind.

'Du hast Recht, aber trotzdem sind diese Käfer eklig!' -

'Hast du schon mal Wanzen gesehen?' -

'Was?', empörte er sich.

'Wanzen, diese hässlichen flachen Blut saugenden Schmarotzer.' -

'Nein.' -

'Ich habe schon mit diesen Parasiten zusammengewohnt, sie sind sehr unangenehme Mitbewohner. Sie können sehr kräftig zubeißen! Doch genug zu diesem ‚appetitlichen’ Thema, sonst können wir heute nicht schlafen. Schau nach, was Ines und Hagen machen!'

Lachend ging Mario aus dem Zimmer. Ich hatte den Eindruck, dass er glaubte, ich erzähle ihm ein Märchen.

'Was ist bei euch los, ihr habt ein paar Käfer?', fragte Hagen mit regem Interesse.

Ich wusste sofort, dass Mario erzählt hatte, was für Mitbewohner in dieser Nacht bei uns sein werden.

'Na ja, wir haben in Marios Bett unbekanntes Ungeziefer gefunden, aber das Problem ist gelöst: Wir schlafen in unseren Schlafsäcken. Die Hauptsache ist ein festes Dach über dem Kopf!

'Seid ihr schon fertig?', fragte ich höflich.

'Ja, ja! Wir warten nur noch auf dich!' -

'Auf mich? Macht keinen Spaß! Ich war der erste von uns, der fertig war. Aber nun schnell ’raus hier! Ich will die Käfer einsperren, nicht dass die uns abhauen!'

Als wir aus dem gespenstischen Flur auf die Straße getreten waren, stellten wir überrascht fest, dass es regnete. Wir blickten hinauf zum dunklen bedeckten Himmel. Dann schlenderten wir schweigend, einer neben dem anderen, in die Richtung eines hell erleuchteten Restaurants und versuchten dabei, den Hundehaufen und den vielen Pfützen auszuweichen. Es klappte aber nicht immer, dann entschieden wir uns doch lieber für das Regenwasser...