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Leseprobe für das Buch Fischer, wie tief ist das Wasser? von Angelika Scherf:

Tabea riss wie die anderen den Umschlag auf. Heraus fiel ein kleiner Zettel, auf dem stand: Wer bin ich? Alle drehten und wendeten ihn. Nichts weiter als diese Worte. Wieder las Tabea diese Worte Wer bin ich?, diesmal schon nachdenklicher. 'Wer bin ich eigentlich?' Und automatisch, wie sie es im Unterricht gelernt hatte, nutzte sie die Clustermethode, um schnell ihre ersten Gedanken darzulegen. 'Wer bin ich?', stumm sprach Tabea die Worte vor sich hin. Einfach war es nicht, tief in sich hineinzuhören.
















































Beim Betrachten der Gedanken stellte Tabea fest, dass sie vorwiegend positive Züge bei sich entdeckt hat. Unwillkürlich wurde ihr Traum wach. War es schon das Resultat, dass sie unbewusst das innere Ich nach außen gebracht hatte? Ein bisschen spürte sie Stolz aufkommen. Was sind schon pfundige Äußerlichkeiten, wenn ein Mensch lustig und angenehm ist, dachte Tabea selbstbewusst und kam sich irgendwie leichter vor.

Marcus, den Frau Hesse aufforderte, über sich zu sprechen, nannte auffällig negative Züge von sich: 'Was soll ich schon über mich sagen? Na ja, ich bin halt faul. Oft bin ich bequem, nehme zum Beispiel Ergebnisse von anderen dankbar an, obwohl ich selber nachdenken könnte. Das nennt man wohl auch willensschwach.' Frau Hesse freute sich über seine Antwort und ergänzte, dass er in seinem Cluster 'ehrlich' als Eigenschaft aufnehmen kann. 'Und mir gefällt an Marcus sein Humor, den er oft auf uns überträgt. Meist geraten wir dann selbst in eine lustige Stimmung. Er ist halt ein echter Kumpel', bemerkte Tabea.

'Hört, hört', spöttelten ein paar Jungens, von denen sich aber auch Rebecca nicht abhalten ließ, Tabeas Meinung zu bekräftigen.

Zum Abschluss der Gesprächsrunde gab Frau Hesse jedem einen neuen Umschlag. Zu Hause sollte das Nachdenken über sich fortgesetzt werden. 'Bitte öffnet die Briefe erst zu Hause', bat sie ihre Klasse. Tabea hielt sich daran. Zu Hause las sie: Warum bist du?

...

...

...

Zweimal waren sie schon von Behörden zum Verlassen des Ortes aufgefordert worden. 'Äh, Leute, ich habe eine geniale Idee. Mein Opa ist schon seit gestern bei Verwandten. Sein Haus steht leer. Ich habe einen Schlüssel. Wir könnten uns dort einnisten', schlug Steven plötzlich vor. 'Meine Mutter stimmt da nie zu, aber es würde mich schon reizen', reagierte Rebecca ohne zu zögern. Sie liebt das Abenteuer. Schon zu einigen Nachtwanderungen hatte sie ein paar Klassenkameraden überreden können. Tabea war einmal dabei und erinnerte sich gerade in diesem Moment an das Prickeln im Bauch, erzeugt durch das Unheimliche im stockdunklen Wald.

'Na, Mensch, wir müssen ja nicht sagen, dass wir hier bleiben. Bei dem Chaos fällt das nicht auf.' Tabea hat ihre Eltern noch nie belogen. So einfach konnte sie dem Vorschlag nicht zustimmen. Andererseits, so ein Abenteuer bietet sich nicht wieder. Ihren Konflikt konnte sie nicht austragen. Die Lösung kam von außen in Gestalt zweier Uniformierter. Sie suchten alle Straßen und Plätze nach verirrten Personen ab. Wenn sie jetzt nicht flüchteten, würden sie des Ortes verwiesen. Womöglich wertete man ihre Anwesenheit falsch, hielt sie vielleicht für Plünderer, die das Elend der Betroffenen ausnutzten, es verstärkten. Steven schlich als erster los und wiederholte dabei sein Angebot: 'Kommt, wir brauchen nur um die Ecke.' Automatisch folgten die anderen.

Das Haus von Stevens Großvater steht keine fünfzig Meter vom Damm entfernt.

Aus dem oberen Stockwerk konnten die heimlichen Bewohner wie aus einem Leuchtturm alles überblicken. Die vorderen Fenster boten Sicht auf das Elbwasser, die rückwärtigen Schlafzimmerfenster auf die Elbüberquerung.

'Cool, das Dorf gehört uns. Keiner ist mehr da. Ein Geisterort. Nur wir sind Zeitzeugen.' Vorsichtig schaute Rebecca aus dem Fenster und schob dabei die Gardine behutsam zur Seite. Nico, der sich in den Sessel gelümmelt hatte, bemerkte skeptisch: 'Zeitzeugen, wovon?' - 'Vom leeren Ort und der Hochwasserwarnung', antwortete Rebecca, ohne ihren Blick vom Fenster zu wenden. Steven und Tabea drängten sich um sie. Auf der Straße geschah nichts.

Ab und zu sahen sie Feuerwehrmänner aufgeregt am Deichabschnitt nahe des Sportplatzes patrouillieren. Ein Fahrzeug parkte startbereit. Sonst waren alle Autos abgezogen.

Allmählich wurde es den jungen Leuten zu langweilig. Den Fernseher konnten sie nicht anschalten. Das Flimmern hätte ihre Anwesenheit verraten. Selbst aus dem Radio erfüllten die Klänge nur leise den Raum. Taschenlampe und Kerze waren ebenfalls passé. Wie blind saßen sie in der Dunkelheit. Erst nach geraumer Zeit hatten sich die Augen an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnt. Der Magen knurrte.