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Leseprobe für das Buch MEINE TANTE IM KELLER
Schwarzhumoriges über den Umgang mit Humanmaterial
von Jürgen M. Brandtner
:

DÛ BIST MÎN, ICH BIN DÎN

Glock Zwölf. Die Uhr schlug Mitternacht.
Der Himmel leuchtete graurot.
Da wurde Lieb in mir entfacht.
Doch war die Liebste lang schon tot.

Sie stieg wie ich aus ihrem Grab.
Seit Jahren lagen Hand bei Hand
wir beide hier. Und doch begab
es sich, dass wir uns nicht gekannt.

Nun stehn, mit lippenlosem Mund
und leeren Augenhöhlen, ich
und sie im Hof und tun uns kund:
Ich kann nur so - ich liebe Dich!

Denn Deine Schultern, kräftig breit,
die machen mich unheimlich an ...
Dein Becken, so geburtsbereit,
verführt noch immer mich als Mann ...

Dein Herz war schön und sehr beseelt,
das spüre, Mann, ich ganz genau ...
Und Deiner Seel’ auch heut nicht fehlt
das Herzensgute, liebe Frau ...

So lieben wir uns Wort für Wort
und schwörn uns Treu, Stein auf Gebein.
Glock Eins. Wir müssen wieder fort.
Doch bist Du mein und ich bin Dein.


HOCHZEITSNACHT

Unter Tränen gesteht nach der Hochzeitsnacht
ihrer Mutter die Tochter, die Tränenreiche,
vom Streit mit dem Mann. Doch die Mutter nur lacht.
Die Ehe, die sei nun mal nicht nur voll Pracht.
Na gut, spricht die Tochter. Doch wohin mit der Leiche?


TOTAL(ITÄR)

Ein flüchtig gelesenes Stückchen Papier
mit amtlichem Stempel liegt lächelnd vor mir.
Gemäß einer neueren Resolution
obliegt meinem Amt jetzt die Exekution.
Die nötigen Schritte veranlasst der Zeh,
mein Sekretär, und ich schlürf Kaffee
mit extra viel Zucker. Gegen den Durst.
Dazu ess ein Brot ich mit Leberwurst
und ordne mir gleich noch die Wiedervorlage
der Akten für die drei kommenden Tage.
Kaum hab ich ne Kippe mir angeraucht,
als Zeh kommt, mit allen, die man jetzt braucht.
Er nimmt sich das Stückchen Papier zur Hand.
Liest Namen draus vor. Nicht ganz unbekannt
erscheint mir einer der klingenden Namen.
Doch soll jetzt der Ablauf nicht wieder erlahmen,
weshalb ich mein Denken brav weiter führe
und nicht an solch Bagatellen rühre.
Zeh kommt zum Ende. Ein wenig bleich.
Er nickt mir zu. Ich begreife sogleich
und nehm das Papier und falte es klein
und schiebe es in einen Umschlag hinein.
Und feierlich übergeb ich ihn Zeh.
Drauf nickt der erneut. Ich steh auf und geh
und stelle mich zwischen die anderen Mannen.
Gemeinsam mit ihnen zieh ich dann von dannen.
Wir gehen nicht weit, nur bis Zimmer Null Sieben.
Mein Sekretär Zeh, der zurückgeblieben,
kommt schnell noch einmal herbeigerannt.
Er winkt eifrig mit dem Papier in der Hand.
Ich hätt’ den Empfang ja noch gar nicht bestätigt.
So hab ich mich also noch einmal betätigt
als Vorgesetzter von Friedemann Zeh,
bevor ich ihn gleich wohl nie wieder seh.
Er reicht mir die Hand. Sagt Tschüss. Und derweil
vollstrecken die Mannen mein Todesurteil.