Manuela Kinzel Verlag |
Informationen zu allen aktuellen Büchern |
Letzte Pressemeldung: NWZ 29.8.24 |
Letzte Pressemeldung: NWZ 14.10.24 |
Letzte Meinung zum Buch: Dämmerzustand |
Suche: Neuerscheinungen Alle Bücher anzeigen als E-Book erhältlich Belletristik Bildband Biographie Christliche Literatur Erfahrungsberichte Geschichte Gesundheit Kinder / Jugendgeschichten Lyrik Musik Mundarten Region Dessau Region Göppingen / Hohenstaufen außergewöhnliche Reiseberichte Sachbücher Theater Tier / Natur Weihnachten Sonderangebote Vergriffene Bücher | Zurück zum Buch Leseprobe für das Buch Tibbi und der Feuerteufel von Marjana Poppinga: Auf der Pappel 'Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.' Es soll keiner sagen, ich hätte mir Fipsis Vermächtnis nicht zu Herzen genommen. Gewissenhaft komme ich meinen Pflichten als Katzenmentor nach, was meine Schlaf- und Ruhezeiten erheblich einschränkt. Heute hat sich der Kleine in den Kopf gesetzt, das Rattenrevier am Bach zu erkunden. 'Du kannst doch noch keine Ratten fangen. Du bist doch selber kaum größer als sie. Und ich sage dir, die Biester sind hochgefährlich, heimtückisch und nichts für kleine Jungen.' 'Sooo?' 'Du sollst nicht immer alles in Frage stellen...', fauche ich ihn an und hoffe, dass ich jetzt in Ruhe mein Gesundheitsbad auf dem Strohballen fortsetzen kann. 'Aber ich muss es doch lernen', nörgelt der Kleine weiter. 'Zeig mir, wie es geht!' Ich L I E B E die Regentage, an denen er mit seiner Mami auf dem Aquariumdeckel kuschelt, aber heute scheint nun mal die Sonne. 'Frag deine Mutter, ob sie mitgeht.' Dies ist mein letzter Funke Hoffnung auf Ruhe. 'Mami sagt, du seist der beste Rattenfänger, den sie kennt, der Champion im Revier, der König der Rattenfänger!' 'Sooooo, sagt sie das?' Ungewollt fühle ich mich geschmeichelt. Diesen Trick beherrscht das kleine Luder also auch schon. 'Zeig es mir doch!' Na schön, meine Siesta ist sowieso gestört. War nicht so geplant, aber was soll’s. Also ziehe ich mit dem Kleinen im Schlepptau los, über das Nachbargrundstück hinunter zum Bach. Der Bachlauf mit seinem dichten Gestrüpp ist für alle Artgenossen ein beliebtes Jagdrevier. Hier gibt es vielfältige Beute, und deshalb hat jeder hier freien Zutritt und keiner beansprucht es als sein eigenes Revier. Also setzten wir beide an einem Busch unseren Urin ab, um den anderen zu zeigen, dass wir gerade ungestört jagen wollen. Aber da liegt noch ein anderer frischer Geruch - nein Gestank - in der Luft, der mir wohlbekannt ist. Und tatsächlich: Aus dem Gebüsch am Ufer beobachtet uns ein graues, fieses Gesicht, ähnlich einer Ratte, hässlich und gemein, aber es gehört dennoch unserer Spezies an. Es ist der Graue - mein alter Feind und Rivale. Ausgerechnet der ist jetzt hier. 'Was haste denn da für ne Flohschleuder aufgegabelt?', spuckt er mit hämisch schnarrender Stimme durch seine Zahnlücke. 'Is der etwa von dir und der weißen Lady, hä? Sieht dir aber gar nicht ähnlich. Hat se dir zum Schluss noch ein Kuckucksei untergeschoben, wa?' 'Hau ab, du Stinktier!”, fauche ich. An meine angebetete Weiße möchte ich auf diese Art und Weise nicht erinnert werden, außerdem gilt es ihre Ehre zu verteidigen. Gerade, als ich mich auf ihn stürzen will, um ihm eine runterzuhauen, biegt der einfältige Bello überraschend um die Ecke. Er sieht Pico und... 'Oh mein süßer Kleiner!' Und mit dem ganzen Körper wedelnd will er sich wieder auf ihn stürzen. Doch Pico, sich nur zu gut an die große nasse Zunge erinnernd, schreit auf: 'Nein, nein! Nicht schon wieder!', und flüchtet in wilder Panik davon. Zugegeben, ich habe ihm erzählt: 'Wenn eine gefährliche Töle dich angreift, dann flüchte auf den nächsten Baum, Tölen können nicht klettern.” Mein braver Zögling nimmt diese Aussage Wort wörtlich und neigt mal wieder zum absoluten Größenwahn. Statt die niedrige, aber dicht belaubte Erle am Bach zu nehmen, erklimmt er eine Pappel, die schlank und hoch in den Himmel wächst. Nun hängt er in einer Astgabel auf halber Höhe, schaut ängstlich hinunter, und seine aufgerissenen Augen zeigen an, dass er sich übernommen hat. 'Ich hab Angst. Wie komme ich hier wieder runter?', miaut er kläglich. 'Im Rückwärtsgang, du Angsthase, nur dann greifen die Krallen.' Das ist alles, was ich ihm an Ratschlägen erteile. Soll er doch selber sehen, wie er da wieder runterkommt. Man soll es der Jugend auch nicht so leicht machen. Selbst macht die Katz! Gelassen setze ich mich auf einen Stein in der Nähe der Pappel und schaue hoch. Pico schaut hinunter. Ich gähne. - Auf einmal kommt eine ältere Zweibeinerin um die Ecke, beladen mit zwei Einkaufstaschen. Pico sieht sie und miaut klagend. Sie bleibt stehen, stellt die Taschen ab und schaut hinauf. 'Ach du Schreck, ne Katze da oben!' Noch eine Zweibeinerin gesellt sich dazu. 'Oh weh, der Arme.' 'Miau?', fragt Pico nach unten. 'Wem gehört die Katze, weiß das jemand?' Achselzucken. 'Miau, miau', meldet sich Pico. Eine Mutter mit ihrem Kind bleibt stehen, und alle schauen hinauf. 'Schau mal Mama, da oben sitzt ne kleine Katze!' 'Ach wie süüüüüß!', ruft die Mutter entzückt, 'Der ist genauso klein wie du!' 'Miau, miau', trägt Pico zur Unterhaltung bei. Ihm gefällt das Spiel und mir auch. Ein vorbeikommender Zweibeiner erweitert jetzt den Zuschauerkreis. 'Der kann nicht mehr runter, der ist noch zu klein', meint die Mutter. 'Wenn er runterfällt, ist er dann tot?', fragt ihr Sprössling sachlich. 'Das ist ne Katze. Die kann klettern. Die wird schon nicht verrecken, oder ham se schon mal nen Katzenskelett im Baum gesehen?', knurrt der Zweibeiner mürrisch. Die rüde Bemerkung solidarisiert die weiblichen Zuschauer. 'Die arme Katze, der muss man doch helfen, die ist ja noch so klein.' 'Wir fragen mal die Nachbarn, wo er hingehört.' Bald vergrößert sich der Kreis der Zuschauer um zwei Familien. Alle starren nach oben und Klein-Pico auf seinem Hochsitz fühlt sich bewundert. Endlich ist auch unsere Zweibeinerin alarmiert. Voller Sorge kommt sie angeflattert. 'Oh weh, das ist mein kleiner Pico! Was machst du denn da oben? Komm runter, Kleiner. Nur Mut, du schaffst es!' 'Komm runter, na komm schon”, locken alle im Chor. Mich langweilt das Ganze, und ich vertiefe mich in eine gründliche Maniküre meiner Vorderpfoten. Mein Schüler genießt derweil die große Aufmerksamkeit, was ihm sichtlich schmeichelt. Zur Belustigung seines zahlreichen Publikums unternimmt er jetzt einen Versuch des Abstiegs, dummerweise kopfunter, sodass er am glatten Stamm abrutscht. Der nächste Ast fängt ihn auf. Er erwischt ihn mit den Vorderpfoten, und das Hinterteil strampelt in der Luft, bevor er sich mit einem gekonnten Klimmzug hochziehen kann. Sehr spektakulär!! 'Boahhh! Das war cool! Wenn er runter fällt, ist er dann tot?', fragt der kleine Zweibeiner immer noch begeistert. Die anderen halten den Atem an und schauen besorgt nach oben. 'Wir müssen ihn retten!' 'Wir brauchen eine große Leiter!' 'Wir alarmieren die Feuerwehr!' 'Oder den Rettungshubschrauber!' 'Geil - wie bei James Bond!' Der vorhin beschimpfte Zweibeiner hat schließlich die praktikable Idee, den Hubkran mit den Baumpflegern zu holen, die gerade oben im Dorf trockene Äste von den Bäumen schneiden, die hätten gerade Mittagspause. Pico schaut gespannt von oben herunter. Ich vertiefe mich weiter in meinen Fellputz, bis meine beschauliche Reinigungsarbeit unterbrochen wird durch ein wildes und lautes Getöse. Eine abartige Blechbüchse rollt langsam heran. Vorsichtshalber verlasse ich meinen Stein und ziehe mich in eine dichte Hecke zurück. Auch Pico kriegt große Augen und vergrößert den Abstand zum Boden, bis er einen dicken Ast gefunden hat, hinter dem er sich verbirgt. Sicher ist sicher. Die Zuschauer teilen sich, und durch diese Gasse rollt das Ungetüm direkt unter die Pappel. Zwei Zweibeiner, der eine eher groß und kräftig, der andere sehr schmächtig, steigen aus und peilen in Ruhe und sachlich die Lage. Nach einem langen kritischen Blick nach oben meint der Kräftige fachmännisch: 'Kein Problem, junge Frau. Kostet Sie nur zwei Kästen Bier. Einen für mich und einen für den Kumpel im Korb. Is ja ne Gefälligkeit nach Feierabend. Die Höhe? Kein Problem für unseren Teleskoparm. Der schafft locker 20 Meter. Sehen Sie hier die Fernbedienung? Ich kann den Arm nach rechts und links drehen, und den Korb nach vorne und hinten kippen - sehen Sie? ... So geht das.' Alle Zuschauer verfolgen die Demonstration mit Begeisterung. Nur der Schmächtige im Korb wird hin und her geschleudert und protestiert. 'Tolles Gerät, junge Frau', erklärt der Kräftige weiter meiner Zweibeinerin, die noch etwas skeptisch wirkt. 'Tolles Gerät, sag ich Ihnen. Das kriegen wir hin. - So, nun packen wir’s an. - Wo ist denn das Kätzchen?' Pico wird es mulmig, als der Korb langsam näherkommt. Er klettert weiter nach oben. Der Teleskoparm wird Meter für Meter ausgefahren, bis seine volle Kapazität erreicht ist. Die Pappel ist, wie gesagt, sehr hoch. Pico sitzt zufrieden und sicher auf einem dünnen Ast in der Krone des Baumes und ist von unten kaum noch zu sehen. 'Scheiß Katze!”, flucht der Maschinenführer. Alle Zuschauer starren angestrengt nach oben. Da kommt Mutter Mauli des Weges. 'Was ist denn hier los?' 'Dein Sprössling da oben, der stellt sich vielleicht blöd an”, versuche ich sie zu ärgern. Wütend raunzt sie in voller Lautstärke nach oben. 'Komm sofort runter, du Clown! Fahr die Krallen aus und im Rückwärtsgang marsch!!! Es ist gleich Futterzeit!' Das Wort 'Futter' muss er verstanden haben, und das tut sofort seine Wirkung. Erst vorsichtig, dann immer schneller lässt Pico sich in einer solchen Geschwindigkeit den Stamm hinuntergleiten, dass der Meister der Fernbedienung nicht mehr mitkommt. Der Schmächtige im Korb wird weiterhin ganz schön durchgeschleudert. Beide fluchen - die Zuschauer stöhnen entsetzt - nur der Zweibeinerjunge kräht entzückt: 'Geil, echt!' Nun wäre ja alles gut ausgegangen - ja wenn nicht dieses alte Astloch in dem Stamm gewesen wäre. Und wo ein Loch ist, steckt eine junge Katze sofort ihre Nase rein: Drinnen brummt es. Schon angelt Pico mit der Vorderpfote nach. Das sehen die darin lebenden Wespen als Kriegserklärung an. Wütend erscheinen die ersten Kundschafter, und schließlich erscheint der ganze Schwarm. Aber da sind wir beide schon längst auf und davon. Der Schwarm stürzt sich stattdessen wütend auf den Haufen Zweibeiner. Jedenfalls hören wir sie aus der Ferne schreien und fluchen, als wir schon längst die heimatliche Küche erreicht haben. 'Und Kleiner, was lernen wir daraus?' 'Zweibeiner lassen sich prima verarschen, Wespen aber nicht.' 'Stimmt genau!' |