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Leseprobe für das Buch JOAS NOTIZEN aus der Provinz
70 Glossen zum 70. der NWZ
von Künstler: F.W. Bernstein; Hrsg: Annerose Fischer-Bucher; Autor: Joachim Schmid:

Inhalt

Vorwort
Glosse 'Der gute Gore' (2007) zu F.W. Bernstein
Politisches
Lokal-Politisches
Allerlei Menschliches
Philosophisches
Joa Schmid (Autor)
Fritz Weigle alias F.W. Bernstein (Karikaturist)
Annerose Fischer-Bucher (Hrsg.)
Register


Vorwort
'Eine drohende Leerstelle ist im Blatt, aber es ist noch nie passiert, dass aus Themenmangel eine Glosse ausgefallen wäre', sagt Joa Schmid, wie er von Kollegen und Lesern liebevoll genannt wird. Immer samstags erscheint am immer gleichen Platz seine Glosse 'Joas Notizen aus der Provinz' in der NWZ Südwest Presse.
Die meisten Leute wissen jedoch nicht, dass sie erst Freitag abends frühestens ab 20 Uhr entsteht und dass um 22.30 Uhr Redaktionsschluss ist. Joa sagt, er brauche diesen Druck, außerdem könne er Hochaktuelles sofort verwenden und thematisch sei er ja völlig frei.
Die Kolumne 'Joas Notizen aus der Provinz' gibt es schon seit 1986. Sie lehnt sich an Dieter Hildebrandts Fernsehsendung 'Notizen aus der Provinz' an, deren darauf folgende Kabarett-Sendung 'Scheibenwischer' Kult wurde. Joa hat die Kolumne zuerst in unregelmäßigen Abständen auf der Eislinger Seite veröffentlicht, bevor sie zu einer Art persönlicher Glosse 'Joas Notizen ...' geworden ist. Später erschien sie in der Göppinger Ausgabe zunächst im 14-tägigen Rhythmus und seit 1997 wöchentlich.
Joas Glossen sind eine geniale Verknüpfung aus Philosophischem, Politischem und von allerlei Menschlichem. Sie nehmen alles, was ihm über den Weg läuft, mit der Feder aufs Korn. Sie sind in ihrer Zuspitzung jedoch nie verletzend, immer fein ziseliert und lassen den Leser durch neue Wortschöpfungen und Assoziationen schmunzeln. Wenn Joa so ins Plaudern kommt und den Worten mit einem winzigen Strich oder auch nur durch die Veränderung eines einzigen Buchstabens eine ungewohnte, aber längst bekannte Bedeutung verpasst und damit humorvoll zum Nachdenken anregt, erweist er sich als ein Meister seines Fachs. Wir dachten, so etwas darf einfach nicht nach einem Tag Zeitung im Archiv verschwinden.
Dass wir Fritz Weigle alias F.W. Bernstein aus Berlin, der aus Göppingen stammt, gewinnen konnten, zu den Glossen Vignetten zu zeichnen, freut uns ganz besonders. Der bekannte Karikaturist, Zeichner, Essayist, Lyriker und Kinderbuchautor wur-de in einer Veröffentlichung als 'Lehr-, Lust-, Sach- und Fachmann' bezeichnet. Über F.W. Bernstein schrieb Manuel Pfürtner anlässlich eines Geburtstags im ’rezensionsforum literaturkritik’:
'Er gibt eine bestimmte ’Realität’ vor, der Leser oder Betrachter folgt ihr und nimmt sie ernst, bis dann überraschend und absurd Neues und Anderes in die dargestellte Welt einbricht. Mit dieser Fallhöhe als der komikträchtigen Distanz zwischen erwarteter und tatsächlicher Realität arbeitet F.W. Bernstein.'
Wir haben mit diesem Büchlein eine Auswahl von Texten aus den Jahren 2013 bis 2016 vorgelegt und die Glosse 'Der gute Gore' als Hommage an F.W. Bernstein vorangestellt.
Wenn Sie nur halb so viel Vergnügen beim Lesen und Betrachten dieses Büchleins haben wie wir beim Erstellen - ist das Ziel erreicht.


Im Oktober 2016
Annerose Fischer-Bucher (Hrsg.)
Der gute Gore
Entscheidend ist, was hinten raus kommt. Wieder einmal hat Altkanzler Kohl recht behalten, was ihn im aktuellen Fall nicht freuen dürfte. Den Friedensnobelpreis hat jetzt doch Al Gore bekommen und der ist noch nicht einmal in der CDU.
Aber so ist das Leben. Erstens bekommen den Preis andere, zweitens als man denkt. Dabei hat der gute Gore doch eigentlich mehr mit dem Klimaschutz im Sinn als mit dem Frieden. Aber darüber wollen wir in dieser 'hichtorischen Stunde' großzügig hinwegsehen. Schon weil das Klima ja auch irgendwie befriedet werden muss. Diese allgegenwärtigen Drohungen mit Überschwemmungen und Unwettern können einem ganz schön auf den Geist gehen.
Letztendlich hat Al Gore den Preis ja sowieso Georg Bush zu verdanken, weil der doch damals in den USA die Wahl gewonnen hat, obwohl er weniger Stimmen hatte. Von dieser politischen Klimakatastrophe zur Entdeckung der ökologischen war’s dann für den guten Gore nicht mehr weit. Wir rufen ihm jedenfalls von Göppingen aus ein Bravo zu, wohl wissend, dass er davon nie erfahren wird. Eigentlich schade. Weil doch auch hier Menschen leben, denen das Klima zu schaffen macht. Einer von ihnen heißt Fritz Weigle alias F.W. Bernstein und wird jetzt mit dem Göppinger Schickhardt-Preis - so einer Art Bonsai-Nobelpreis - ausgezeichnet, weil er sich um das kulturelle Leben der Stadt verdient gemacht hat. Eine gute Wahl, obwohl Bernstein sein Bernstein-Zimmer längst in Berlin bezogen hat und im kulturellen Leben der Stadt bisher nicht wirklich aufgefallen ist. Aber auch darüber wollen wir hinweg sehen. Immerhin hat er die Satirezeitschrift 'Titanic' mitbegründet. Ein Blatt, das einst mit massiver Wahlkampfhilfe für Helmut Kohl - 'Birne muss Kanzler bleiben' - antrat, was diesem genau so wenig gefallen haben dürfte wie jetzt der Friedensnobelpreis für den guten Gore. Schick finden wir den Schickhardt-Preis für F.W. Bernstein auch gar nicht deswegen. Nein, er gebührt ihm wegen dieses einen Satzes, den wir in unser persönliches Klima-Tagebuch eingetragen haben: 'Selbst die größten Kritiker der Elche waren früher selber welche.'
Der Satz offenbart einen Tiefgang, der die 'Titanic' ohne Eisberg hätte sinken lassen. Im übrigen hat sich F.W. Bernstein schon mit Umweltschutz beschäftigt, als der gute Gore noch Flutwellen nur in der Badewanne fürchtete. Bereits 1964 hat F.W. Bernstein die 'Pardon'-Beilage 'Welt im Spiegel' mitbegründet: die 'unabhängige Zeitung für eine sauberere Welt'. Ein klarer Fall für den Friedensnobelpreis.