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Aus vielen geöffneten Fenstern streckten die Menschen ihre Köpfe heraus, um zu erfahren, was es Neues gab. Ich zog mich in einen schattigen Winkel des Hofes zurück, um die Bekanntmachung zu lesen. Es war schwül, obgleich die Sonne auf ihrer Bahn nach Westen fast den Saum des Horizontes erreicht hatte. Ich hörte Maria in der Küche wirtschaften. Das Dokument trug das Wappen des Landpflegers Publius Sulpicius Quirinius Cyrenius aus Syrien. Er rief im Auftrag des obersten Herrschers des Römischen Reiches, Augustus, zu einem Zensus, zu einer Schätzung auf. Offenbar wollte der Kaiser wissen, mit welchen Abgaben er aus Judäa rechnen konnte. Dazu sollte jeder in seine Geburtsstadt reisen, um sich dort in die Steuerlisten eintragen zu lassen. „Verdammter Mist“, rief ich, warf den Brief zu Boden und versetzte ihm einen Fußtritt. „Eine Zumutung, so etwas. Jetzt im Spätherbst. Aber die römischen Besatzer können sich auch alles erlauben.“ „Was ist denn los?“, rief Maria und beugte sich aus dem Küchenfenster. „Hast du schlechte Nachrichten?“ „Das kann man wohl sagen“, brummte ich und kraulte meinen Bart. „Worum geht es denn?“ „Um so einen Zensus. Ich muss nach Bethlehem, in die Stadt meiner Vorfahren, und mich in Steuerlisten eintragen lassen. Aber in Wirklichkeit geht es dem Kaiser darum, auszukundschaften, wie viele Männer er für seine Armeen rekrutierten kann.“ Man hörte, wie Maria aufatmete. „Dazu bist du Gott sei Dank zu alt.“ „Ich zu alt? Mary, ich nehme es noch mit jedem wilden Perser auf. - Doch halt! Wenn ich meinen Betrieb für eine Weile schließen muss, laufen mir die Kunden zur Konkurrenz. Zu „Hornbach“, „Preisrebell“ oder „Orbit“. Maria trat in den Hof hinaus, goss Spülwasser in die Gosse und setzte sich zu mir. Sanft strich sie über ihren Bauch. „Was mache ich nur, wenn du fort bist, Jo?“ „Herrjeh! Das Kind! Ja, daran habe ich noch gar nicht gedacht.“ Ich sprang auf und ging erregt ein paar Schritte im Hof auf und ab. „Ich kann dich unmöglich hier allein lassen. Du bist eine Zugezogene, eine junge Frau aus der Fremde. Die beäugen die Einheimischen hier mit Argwohn.“ „Ich weiß“, erwiderte Maria seufzend, „am Dorfbrunnen spricht kaum jemand mit mir.“ „Du musst erst einen Scheffel Salz mit ihnen essen, Mary, bevor sie dich als Ihresgleichen anerkennen.“ „Einen Scheffel Salz? Zucker wäre mir lieber.“ „Das sagt man hier so, wenn etwas lange dauert, bis man in der Dorfgemeinschaft angenommen wird.“ Maria schüttelte sich. Der Gedanke, dass sie hier allein bleiben müsse, bedrohte sie. „He, was ist mit dem, der dich geschwängert hat?“, fragte ich spitz. „Soll er sich doch kümmern.“ Maria begann zu weinen. Ich spürte, dass ich zu hart gewesen war. Ich verzichtete auf den Gang zur Synagoge, setzte mich neben meine Braut und nahm sie in den Arm. „Entschuldigung, Mary, es war nicht so gemeint. Den Heiligen Geist werden wir wohl nicht zu fassen kriegen“, meinte ich dann. „Du müsstest ihm twittern oder eine Mail schreiben. Er müsste sehen, in welche Lage er dich gebracht hat.“ Maria nickte. „Ich glaube, Gott hat seinen Plan nicht zu Ende gedacht“, schluchzte sie. „Sonst hätte er eine Lösung für diesen Fall, oder was meinst du, Jo?“ Ich stand auf. „Ich werde ein wenig in der Bibel lesen, vielleicht fällt mir dann etwas ein.“ Die Religion bestimmte das Leben Für junge Menschen im Judentum galten im Bildungswesen folgende Regeln: Im fünften Lebensjahr war der Mensch reif für das Lesen der Tora. Im zehnten Lebensjahr konnte er die Mischna lesen. Die Mischna - „die Wiederholung“ - ist die erste größere Niederschrift der mündlichen Tora und als solche eine der wichtigsten Sammlungen religionsgesetzlicher Überlieferungen des rabbinischen Judentums. Im 13. Lebensjahr war man fähig für die Übung der göttlichen Gebote. Der fünfzehnjährige Schüler konnte sich mit dem Talmud beschäftigen. Der Talmud - Belehrung, Studium - ist eines der bedeutendsten Schriftwerke des Judentums. Er besteht aus zwei Teilen, der älteren Mischna und der jüngeren Gemara und liegt in zwei Ausgaben vor, dem Babylonischen (Talmud Bavli) und dem Jerusalemer Talmud (Talmud Jeruschalmi). Der Talmud selbst enthält keine Gesetzestexte, sondern zeigt auf, wie die Regeln der Tora in der Praxis und im Alltag von den Rabbinern verstanden und ausgelegt wurden. Gemara - lernen, studieren - erläutert und ergänzt den Stoff der Mischna, der mündlichen Überlieferung. Mischna und Gemara bilden gemeinsam den Talmud. Mit 18 Jahren war der Mann reif für die Ehe, mit 20 für den Lebensberuf. Jesus war zweifellos ein gelehriger und wissbegieriger Schüler. Er durfte im Beth Midrasch - Lehrhaus - weiterlernen und die Propheten und die Schriften der Tora studieren. Ob die Familie des Pflegevaters Josef und seiner Frau Maria eigene Schriftrollen besaßen, ist ungewiss. Deshalb blieb das Auswendiglernen ein wesentlicher Bestandteil des Studiums. Jesus wurde nach Abschluss seiner Lehrzeit zum Rabbiner ausgebildet, ein Privileg, das nur hochbegabte Schüler genossen. Wenn später die Pharisäer ihn oftmals als „Rabbi“ ansprachen, so erwiesen sie ihm damit eine Ehrbezeichnung. Nach dieser Exkursion in die Ausbildungsvorschriften eines Tora-Schülers wenden wir uns dem praktischen Umfeld Jesu zu. Jesus hat, das sagt uns das Neue Testament, den Beruf des Vaters erlernt. Oftmals ist er sicher abends hungrig mit Josef von einer Baustelle heimgekehrt und hat sich auf die Abendmahlzeit, die Mutter Maria vorbereitet hatte, gefreut. Man setzte sich nicht einfach zu Tisch, sondern wusch sich zuvor Hände und Füße. Die Mahlzeit selbst war keine oberflächliche Handlung, sondern ein feierlicher Akt. Man aß mit den Fingern. Fleisch gab es nur zu besonderen Anlässen und es musste koscher sein. Die Köchinnen und Hausfrauen hielten sich streng an die jüdischen Speisegesetze. Sie mussten eine rituelle Unbedenklichkeit - Kaschrut - aufweisen. Die Vorschriften teilten Lebensmittel in solche ein, die für den Verzehr erlaubt - also koscher -, und in solche, die für den Verzehr nicht erlaubt, also nicht koscher oder treife waren. Die jüdischen Speisegesetze gehen auf die Tora zurück, auf die fünf Bücher Mose, und wurden von den rabbinischen Juden weiterentwickelt. Wichtig ist zu wissen, dass in den Regeln der Kaschrut die Trennung von „Fleischlichem“ und Milchigem“ vorherrscht. Das heißt, Fleisch- und Milchprodukte dürfen beim Essen nicht miteinander zusammengefügt werden. Beide getrennte Gruppen haben ihr eigenes Geschirr, und auch beim Kochen werden verschiedene Arbeitsgeräte für beide Teile benutzt. Wer etwas Fleischliches isst und ein milchiges Gericht zu sich nehmen möchte, muss eine Wartezeit einhalten, die je nach Lebensmittel zwischen 30 Minuten und sechs Stunden betragen kann. Jesus hat sich gegen die Überbewertung dieser Speisevorschriften und der Gebote und Verbote gewandt. Im Judentum gibt es nämlich 613 Lebensregeln - Mizwot genannt -, 248 Gebote und 365 Verbote. Jesus hat klargestellt, dass der Mensch nicht für diese Regeln da ist, sondern die Regeln dem Menschen nur helfen wollen. Mit dieser Ansicht ist er bei den Schriftgelehrten und Pharisäern oft angeeckt. Die Pharisäer werden in der Bibel oftmals als „Buhmänner“ dargestellt. Das waren sie zweifellos nicht, sondern es handelte sich um eine ernsthafte und um Wahrheit bemühte Glaubensgemeinschaft, mit der Jesus vieles verband und umgekehrt. Ich habe einmal in Jerusalem einen jungen Mann beobachtet, der mit Eilschritten auf dem Weg zur Klagemauer war. Als ich ihn fragte, warum er es so eilig habe, erwiderte er, Gott dulde keinen Müßiggang. War das nicht eine übertriebene Auslegung der jüdischen Gebotsvorschriften? Wie die Menschen zu Jesu Zeit lebten Nazareth lag zu Jesu Zeiten in einem kleinen Talkessel und zog sich in Terrassen einen Bergrücken hinauf. Von großen Verkehrswegen wurde es nicht berührt. Die „Via maris“ - die Straße am Meer entlang - wand sich abseits durch das Tal. Diese alte Karawanenstraße verband Ägypten mit Mesopotamien. Nazareth war ein kleines Dorf mit etwa zweihundert Einwohnern. Auch die Häuser der Menschen waren klein. Es gab sogar Höhlen, in denen die Leute mit ihren Tieren lebten. Die Wände der Häuser bestanden aus grob behauenen Steinen. Lehm und Kies waren die Bindemittel zwischen ihnen. Da die Fenster wegen der Hitze nur sehr klein waren, gab es im Innern nur wenig Licht. Folglich brannten oftmals kleine Öllämpchen in Nischen und an den Wänden. In den kalten Tagen stopfte man einfach Tücher und Stroh in die Fensteröffnungen. Die Häuser besaßen Flachdächer aus Holz oder Reisig, über die ein Brei aus Lehm, Kalk und Häcksel aufgetragen wurde, der sich unter der starken Sonnenbestrahlung rasch festigte. Bei Regen gab es mit undichten Dächern Probleme. War es auch nachts sehr heiß, zog sich die Familie zum Schlafen auf das Dach zurück. Zur Familie gehörten nicht nur die Eltern und ihre Kinder, sondern auch die Großeltern, die unverheirateten Familienmitglieder, die sich oft den nur einzigen Raum im Hause teilten und zum Schlafen Strohmatten, einfache Teppiche und Decken ausrollten. Wenn wir heute im Fernsehen Bilder von orientalischen Zimmern ohne Möbel und mit nur wenigen Einrichtungsgegenständen sehen, können wir uns leicht vorstellen, dass sich auch das Leben der Familie Josefs von Nazareth weitgehend auf dem Fußboden abspielte. Auf der Erde hockend oder liegend wurde auch gegessen. |