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Am Nachmittag ging der Vogelforscher in die Richtung, in die er die Seeadler hat fliegen gesehen. Als er sie wiedersah, entdeckte er, dass sie sich um einen Pferdekadaver versammelt hatten. Wie als feste Regel, begannen die ältesten Vögel mit der Mahlzeit, gefolgt von den Jüngeren, während die Älteren derweil Wache hielten. Syevertsoff folgte daraus, dass Seeadler sich zur Jagd zusammenschließen. Wenn sie hoch genug fliegen und eine Formation von etwa zehn Individuen erreichen, können sie optisch eine Bodenfläche von mindestens 30 km2 abdecken. Und sobald einer etwas Interessantes entdeckt hat, gibt er sofort eine Meldung an die anderen ab. Aus den unzähligen Jagdgesellschaften vieler Vogelarten sticht die Fischfangmethode der Pelikane heraus. Sie wird besonders intelligent von diesen schwerfällig aussehenden Vögeln ausgeführt. Nachdem sie dafür eine geeignete Stelle in einem Gewässer gefunden haben, bilden sie zunächst zum Ufer hin einen großen Halbkreis, den sie dann paddelnd verkleinern und dabei alle Fische aus dem Wasser fangen, die sich darin befinden. In kleineren Flüssen teilen sie sich in 2 Gruppen auf, die jeweils einen Halbkreis bilden und sich dann im Wasser in der gleichen Geschwindigkeit aufeinander zubewegen und dabei alles herausfangen, was geht. Wenn die Nacht kommt, fliegen sie wieder zu ihren Ruheplätzen, immer zum gleichen Schwarm. Und noch nie hat jemand einen Kampf beobachtet, wenn es um die Schlafplätze ging. Großartige tierische Beziehungen! Nehmen wir zum Beispiel eine Gruppe von weißen Kakadus in den australischen Wäldern: Bevor sie starten, um ein Kornfeld zu plündern, senden sie eine Aufklärungstruppe aus, die die höchsten Bäume der Umgebung besetzen, während sich andere als Relaisstationen auf Bäumen niederlassen, die sich zwischen dem Kornfeld und dem Wald (Ausgangspunkt) befinden, sozusagen zur Nachrichtenweiterleitung. Wenn die Nachricht „alles in Ordnung“ lautet, teilt sich eine Anzahl von Kakadus vom Großteil des Schwarmes ab und fliegt dann zu Bäumen, die dem Kornfeld am nächsten stehen. Auch sie überprüfen nochmals die Nachbarschaft für eine ganze Weile und erst dann geben sie „grünes Licht“ für den allgemeinen Vorstoß und das Getreidefeld wird null Komma nichts leergeplündert. Die australischen Siedler haben die größten Probleme, die Sorgfalt dieser Vögel zu überlisten. Gelingt es ihnen mit allen möglichen Waffen einige Kakadus zu töten, werden sie noch umsichtiger, so dass sie von da an alle Kriegslisten ad absurdum führen. Es führt kein Weg daran vorbei, dass es die Lebenserfahrung in Gesellschaften ist, die es den Kakadus ermöglichen, eine fast menschliche Intelligenz zu erlangen. Moral: Moral und Gerechtigkeit sind zwei Seiten einer Medaille, was die Gemeinschaft und den Zusammenhalt anbetreffen. Ohne diese Bausteine funktionieren sie nicht. Moral hat mit Werten zu tun, wohingegen die Gerechtigkeit mehr damit zu tun hat festzustellen, wem was (gerechterweise) zusteht? Nachfolgend nun ein leuchtendes tierisches Beispiel über moralisches Verhalten: Während eines Laborversuches konnten Makaken in Käfigen nur zu Futter gelangen, wenn sie zuvor an einer schmalen Kette zogen, um einen kleinen Behälter mit Futter zu sich zu ziehen. Aber das Besondere an diesem Versuch war folgendes: 1) es waren zwei nebeneinander liegende Käfige, die jeweils mit einem Affen belegt waren; 2) nur in einem der beiden Käfige war die Möglichkeit gegeben, über einen Zug an der Kette zu Futter zu gelangen; 3) zwischen beiden Käfigen war ein Einwegspiegel in der Weise installiert, dass nur der Affe den Nachbarn sehen konnte, der für sich Futter über den Zug an der Kette heranschaffen konnte; 4) zog dieser Affe an der Kette, verursachte diese Aktion jedes Mal gleichzeitig einen heftigen Stromstoß beim Nachbarn, der vom ungewollten Auslöser dieser fatalen Aktion über dem Einwegspiegel beobachtet werden konnte. Der elektrisch geschockte Nachbar konnte den Schockauslöser (wegen des Einwegspiegels) nicht sehen und sich den erlittenen Stromstoß auch nicht erklären. Dieser Situation wurden immer andere Affen ausgesetzt. Wurde dieser Versuchsaufbau erst einmal verstanden, konnte ein Affe den Stromstoß beim Nachbarn nur vermeiden, wenn er nicht an der Kette zog, aber damit in die Situation geriet, Hunger zu leiden. Wie ging dieser Versuch nun aus? 87 % der Makaken wären lieber verhungert, als dem ihm unbekannten Nachbarn weh zu tun. Forscher fanden es nicht so erstaunlich, dass die Makaken lieber das eigene Leid wählten, als anderen zu schaden, sondern interpretierten aus ihren Reaktionen auch einen Sinn für Mitleid gegenüber den Gefolterten. Welch eine hohe Vorstellung von Moral! Interessant war noch ein zweiter Versuch, bei dem der „Kettenzieher“ zuvor auch schon im benachbarten Käfig steckte und Stromstöße über sich hatte ergehen lassen müssen. Diese waren, nach diesen Erfahrungen, noch unwilliger, an dieser Kette zu ziehen, um nicht zu verhungern. Zum guten Schluss dieser Versuchsserie wurde auch noch festgestellt, dass der Verwandtschaftsgrad, der soziale Status oder das Geschlecht bei den Entscheidungen zu hungern oder zu foltern keine Rolle gespielt haben. Bei herkömmlichen menschlichen Maßstäben zeigen diese Makaken, die weder eine Schule besucht haben noch die zehn Gebote von Moses kennen, eine beispielhaft hohe Moral, die auf den mutigen Widerstand gegen das sogenannte „Böse“ gründet. Bei den Makaken, und besonders in den untersuchten Fällen, war der „Heroismus“ die von ihnen als verbindlich anerkannte Regel. Das ist im höchsten Maße beeindruckend! Interessant wäre es nun zu erfahren, wie der Mensch bei so einem Spiel abschneiden würde. Das dafür berühmteste Beispiel ist das “Milgram-Experiment“. In diesem Fall wurde untersucht, wie weit Menschen gehen würden, andere mit Elektroschocks zu foltern. Es zeigte sich, dass von den 40 Probanden 26 das Experiment bis zum maximalen gefährlichen Stromschlag, also bis zum Tod der Gefolterten durchführten. Die Probanden wussten allerdings nicht, dass die Opfer im Nebenraum die Auswirkungen der Stromschläge nur simulierten, sonst hätte es tatsächlich Tote gegeben. Der Durchschnittsbürger kann also mühelos auch zum Folterknecht werden. Das war so nicht erwartbar. Betrug: Lange Zeit sah es so aus, als ob die Bestrafung nur eine menschliche Angelegenheit sei. Aber das stimmt nicht. Dieses Verhalten wird in der Tierwelt auch genutzt, um soziale Konflikte nicht ausufern zu lassen. Wie dieser Mechanismus der Bestrafung sich in der Tierwelt auswirken kann, zeigen die beiden folgenden Experimente: 1) Bei Buntbarschen und Zaunkönigen wurden dominante Individuen dabei beobachtet, wie sie scheinbare „Schmarotzer“ schikanierten, wenn sie im Experiment von Wissenschaftlern am Helfen gehindert worden waren. 2) Bei Nacktmullen und Wespen wurden die Untergebenen „fauler“, wenn die dominanten Weibchen in den Experimenten daran gehindert worden sind, sie zu bestrafen. Polizei: Das System der Sanktionierung funktioniert in kleineren Gruppen eher eigenständig, aber in großen Gruppen nur, wenn es Individuen gibt, die sich „hauptamtlich“ um die gesellschaftliche Ordnung kümmern, nämlich eine Art von „Polizei“. Einen Polizeiapparat gibt es auch bei den Wildtieren. Die Polizei sorgt für die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung gewisser gesellschaftlicher Normen und für die Innere Sicherheit. Wie sieht es nun mit Polizeimaßnahmen im Tierreich aus? Dazu gibt es die verschiedensten Bilder. Sie könnten beispielsweise so aussehen: Zwang auf Untergebene durch Schikanierungen und Belästigungen oder durch das Rauben von Eiern, was besonders bei den Insekten geschieht. Die polizeilichen Maßnahmen gehen aber im Tierreich nicht so weit, dass die Gruppenstabilität dabei gestört wird. Hier gibt es einen wesentlichen Unterschied im Vergleich zu menschlichen Polizeiaktionen. Vergeltungsaktionen oder Gewaltanwendung durch Ordnungskräfte richten sich vornämlich an die Übeltäter. Die Bestrafung im Tierreich dient dagegen eher der Abschreckung, als dass sie eine offene physische Gewalt darstellt, so dass der Aufwand für polizeiliche Maßnahmen innerhalb der tierischen Gesellschaft viel geringer ausfällt. Kooperationen: Das Motiv ist klar: Organismen. die eher zu Kooperationen mit anderen Tieren neigen, verbessern ihre eigene Fitness, was einen Vorteil im Ausleseprozess gegenüber denen darstellt, die nicht kooperativ sind und sich mühsam alles selbst erkämpfen müssen. Dazu wurde ein interessanter Versuch gemacht: Zwei Ratten wurden in 2 nebeneinanderstehenden Einzelkäfigen gehalten und trainiert, an einem Stab zu ziehen, der in ihrer Reichweite lag. Am Stab war eine mit Futter gefüllte Schale befestigt. Wurde der Stab gezogen, lag die Futterschale in verfügbarer Nähe der Ratte. Das Besondere daran aber war hier, dass das eigene Ziehen des Stabes nur Futter zum Nachbarkäfig brachte. Der „Stabzieher“ selbst ging immer leer aus. Hilfe konnte er im Hungerfall nur vom Nachbarkäfig bekommen, wenn dort am Stab gezogen worden ist. Die Ratten konnten infolgedessen nicht für sich selbst sorgen, sondern waren immer auf die Ratte des benachbarten Käfigs angewiesen. Das erstaunliche Ergebnis war, dass Kooperationen stattgefunden haben und keine Ratte verhungern musste, weil die eine Ratte für die andere sorgte. Aber die Auswirkung der Kooperation war noch größer (die Ratten zogen den Stab für den Nachbarn häufiger und früher), wenn beide Ratten sich von früheren Kooperationen bereits kannten und sich als Helfer in der Vergangenheit ausgezeichnet hatten, als wenn einander Unbekannte für diesen Versuch ausgewählt worden waren. Die Ratten zeigten eine Großzügigkeit, ohne dafür eine unmittelbare Belohnung zu bekommen. Die extremsten Beispiele eine Kooperation unter Nichtverwandten ist die zwischen verschiedenen Arten. Ein besonders schönes Beispiel einer freundlichen zwischenartlichen Zusammenarbeit liefern verschiedene Arten der Gattung der Zackenbarsche. Verschiedene Arten dieser Gattung jagen durch den Einsatz von koordinierten Bewegungsabläufen und Kommunikationsformen zusammen. Wenn die Jagd beginnt, beschleunigen zunächst die Zackenbarsche ihre Schwimmgeschwindigkeit, um zu versuchen, die Beute selbst zu fangen. Diese verkriecht sich erwartbar sofort in den Spalten von Riffen und ist so für die Zackenbarsche nicht mehr erreichbar. Dann kommen die Muränen, die Tintenfische und die Napoleon-Lippfische in dieser Reihenfolge ins Spiel und jagen die Beute für die Zackenbarsche wieder aus den Spalten heraus. Aber bevor die Zackenbarsche auf Jagd gehen, senden sie an die Umgebung zwei Signale aus, um die Jagd anzukündigen. Ein Schütteln mit dem Kopf in der horizontalen Körperstellung bedeutet das Startsignal für die Muränen, während ein Schütteln des Körpers in der Kopfstandposition anzeigt, dass weitere Jagdpartner zu Hilfe kommen sollen, wie die Tinten- und Lippfische, um die Beute aus den Spalten zu jagen. Eine derartige Kooperation kann bis zu 90 Minuten andauern. Das Erkennen der Zackenbarsche, wenn sie artfremde Partner benötigen, um deren Fähigkeiten für unterschiedliche Aufgaben zu nutzen, ist im Tierreich noch nicht einmal etwas Besonderes. Ein weiteres Beispiel kommt aus der Gattung der Putzerlippfische. Ihr Zusammenspiel mit den „Kundenfischen“ musste oft dafür herhalten, um Kooperationen zwischen verschiedenen Arten zu demonstrieren. Das Problem dabei ist, dass die Putzerfische lieber den Schleim auf der Haut ihrer Klienten verspeisen, als sie von ihren Ektoparasiten zu befreien, wozu die „Kundschaft“ aber eigentlich gekommen war. Das führt zu Konflikten, die so aussehen, dass die Kunden bei einem so schlechten „Service“ den Anbieter bestrafen. Es kommt auch vor, dass die „Klienten“, vor der Beanspruchung einer „Dienstleistung“, zunächst die Arbeit der Putzerfische bei anderen Kunden bewerten, um zu beurteilen, ob dieser Anbieter für sie überhaupt in Frage kommt. Im Gegenzug sind die Putzerfische kooperativer, wenn sie durch „Zuschauer“ beobachtet werden und versöhnen sich wieder mit den Klienten, die durch einen betrügerischen Akt (Schleim statt Ektoparasiten zu verspeisen) mit Aggressionen antworteten. Die Putzerfische sind auch in der Lage, sich bei der Kundschaft einen besonderen Ruf zu erwerben, ablesbar an der Kundenzahl. Der Schwarzhelm-Hornvogel geht in kleinen Schwärmen in den tropischen Wäldern Afrikas auf Futtersuche. Dies geschieht oft in der Nachbarschaft von Primatengruppen, hier am Beispiel der Diana- und Campell-Meerkatzen. Frühere Studien haben gezeigt, dass diese Affen zwei verschiedene akustische Signale aussenden. Ein Signal gilt der Entdeckung von Kronenadlern und das andere Signal der Ausspähung von Leoparden. Der Schwarzhelm-Hornvogel fürchtet sich sehr vor dem Kronenadler, aber nicht vor dem Leoparden. Andersherum geht es den Meerkatzen, weil die Leoparden bei der Jagd auf Affen auch auf Bäume klettern können und der Kronenadler ein anderes Beuteschema hat als Meerkatzen. Es ist nun davon auszugehen, dass sich die Vögel – abhängig von den Alarmrufen der Affen – bezüglich der sich nähernden Raubtierart verhalten werden (Adler oder Leopard). Bei Feldversuchen wurde tatsächlich deutlich, dass die Schwarzhelm-Hornvögel immer unterscheiden konnten, ob die Alarmrufe wegen der Kronenadler oder wegen der Leoparden ausgestoßen wurden. Hier scheint es sich um eine selbstlose Kooperation der Affen zu gehen, denn was haben sie davon, wenn sie vor einem Kronenadler warnen? Eine tolle Geschichte! |