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Die Knechte und Mägde behandelte er, als seien sie weniger wert als das Vieh. Brachten die Bauern Korn zur Mühle, wog er es so aus, dass es immer weniger ergab, als sie es zu Hause gewogen hatten. Bei der Mehlausgabe zweigte er ebenfalls so manches Pfund ab. Er wollte reich werden! Er geizte an allen Dingen, vor allem aber den Menschen gegenüber, die von ihm abhängig waren. Seine Frau war das ganze Gegenteil. Gutmütig war sie. Sie versuchte so manches Unrecht, das ihr Mann den Menschen zufügte, wieder gut zu machen. Kindern armer Leute, die Mehl von der Mühle holten, legte sie mitunter eine Wurst vom Geschlachteten in ihren Beutel, anderen hatte sie heimlich wieder einen Sack Korn auf den Wagen gelegt. Das war wohl der Grund, weshalb immer noch Menschen zur Mühle kamen. Irgendwann merkte der Müller, dass seine Frau gegen seinen Willen so handelte. Es gab eine schwere Auseinandersetzung. Mit einem Holz wollte er die Frau verprügeln. Aber die beiden halbwüchsigen Söhne und die Müllerknechte gingen dazwischen und hielten den Müller in Schach. Voller Zorn schrie die Frau ihren Mann an: 'Der Kobold, der in dir steckt, sollte dich einmal so plagen, wie du uns alle plagst.' Bald darauf ging es in der Mühle nicht mehr mit rechten Dingen zu. Der Müller konnte anfassen, was er wollte, es ging ihm verquer. Eines Tages lief das Mühlrad rückwärts. Dann wieder stand es still, obwohl genug Wasser durch den Mühlgraben floss. Brachten Bauern ihr Korn zur Mühle, wogen die Säcke schwerer, als er es gewohnt war. Schüttete er das Korn auf, waren tatsächlich nur Körner in den Säcken. Rutschte das Korn aber auf die Mühlsteine, so hopsten lauter Kiesel darauf und beschädigten die Mühlsteine. Eines Tages brach der Holztrog, auf dem das Wasser des Mühlgrabens auf das Mühlrad geleitet wurde, zusammen. Nun musste der Müller die Reparatur in Angriff nehmen. Einen Zimmermann zu bezahlen, war er zu geizig. Also machte er sich mit den Knechten ans Werk. Dabei passierte es: Er stürzte ab und blieb mehrere Meter tief im Graben liegen. Als die Knechte zu ihm kamen dachten sie, er sei tot. Ratlos standen sie herum. Nach einer Weile kam ein tiefes Stöhnen aus der Brust des Gestürzten. Er lebte also. Aus dem Kopf drang Blut. Vorsichtig hoben sie ihn auf eine aus der Mühle geholten Plane. Sie trugen ihn ins Wohnhaus, säuberten die Kopfwunde und verbanden sie. Was er sonst für Verletzungen hatte, konnten sie nicht feststellen. Bald zeigt sich, dass er die Beine nicht mehr bewegen konnte. Der Rücken musste verletzt sein. So lag er nun still und grübelte vor sich hin. Er sprach nicht und es schien, als nähme er seine Umgebung gar nicht wahr. Die Frau aber kümmerte sich rührend um ihn. Mit den beiden Söhnen und den Knechten besorgte sie die Arbeit in der Mühle, mit den Mägden die Arbeit im Haus und in den Ställen. Vom Kobold war nichts mehr zu merken. Ruhig ging alles seinen Gang. Die Arbeit fiel den Menschen leichter. Nach vielen Wochen bat der Müller seine Frau um Verzeihung für sein früheres Verhalten. Es dauerte lange Zeit, bis er wieder laufen konnte. Er, der früher alle antrieb, musste zusehen, wie ohne ihn die Arbeit voranging und die Söhne den Betrieb gut im Griff hatten. Der Dorfgeist von Schlesen Schlesen, eine Flur an der Straße von Stackelitz nach Medewitz gelegen, war einmal ein Dorf, das wahrscheinlich in der Kolonistenzeit begründet wurde (erste Erwähnung 1130). Bereits nach 1430 ist es aufgegeben worden, so wie viele dieser kleinen Siedlungen verlassen wurden und als wüste Dorfstellen auf manchen Landkarten verzeichnet sind. Von dem Dorf Schlesen zeugen noch die alte Kirchenruine und der Dorfbrunnen. Bis zum Herbst 1966 standen noch beide Giebel der Kirchenruine. Ein Sturm, der nur in schmaler Front vielerorts eine Schneise durch die Wälder riss, brach eine große Fichte an der Ruine. Diese fiel auf den Anker, der beide Giebel verband und brachte die östliche Mauer zum Einsturz. An diesem Ort spielt die nachfolgende Geschichte. Als die Menschen dieses Dorfes wegzogen, nahmen sie ihre Hausgeister mit. Nur ein älteres Ehepaar blieb allein zurück. Ihr Hausgeist blieb bei ihnen. Als auch diese Leute nicht mehr am Leben waren, hütete der Geist die früheren Wohnstätten des Dorfes. Die Hütten verfielen. Auch die Kirche wurde zur Ruine. Der Geist blieb am Ort. Allmählich wuchs der Wald über die Dorfstelle. Doch Ruhe herrschte deshalb nicht. Seltsame Dinge spielten sich ab. Nächtliche Wanderer beobachteten mitunter ein Leuchten aus der Kirchenruine. Gingen sie darauf zu und waren sie nur noch wenige Meter entfernt, erlosch das Licht und tiefe Finsternis umgab sie. Vorher geblendet, sahen sie nichts mehr und kamen oft genug zu Fall, brachen sich etwas und nicht wenige erreichten nicht mehr den festen Fahrweg. Andere wieder, die zum alten Brunnen gingen, um sich zu erfrischen, mussten erleben, wie das vorher so klar erscheinende Wasser verschwunden war und der heruntergelassene Eimer beim Hochziehen schwerer war als ein voller. Als die ersten Bäume dort geschlagen wurden, passierte den Holzfällern bei ihrer ohnehin schweren Arbeit, dass Bäume in die entgegengesetzte Richtung fielen. Waren die Stämme mit den Pferden aus dem Wald zum Abtransport gezogen, mussten die Männer erleben, dass am anderen Morgen die Stämme wieder dort lagen, wo sie gefällt worden waren. Auch die Kutscher, die von Polenzko nach Setzsteig fuhren, richteten es so ein, dass sie mit ihren Fuhrwerken nicht in der Dämmerung an Schlesen vorbei mussten. War doch so manches Gespann scheu geworden und hatte den Wagen umgeworfen. Mit dem Bau der Bahnstrecke Dessau-Berlin ist auch dieser Spuk wohl endgültig verschwunden. Oder weiß noch jemand etwas davon zu erzählen? Vetter Turmete Waren Sie schon einmal auf dem Coswiger Kirchturm und haben den weiten Blick über die Elbe und die Auenwälder bis nach Wörlitz und bis zur Dübener Heide, nach Wittenberg und auf die Wälder des ansteigendes Fläming genossen? Um diesen Blick habe ich in meiner Jugend oft den Turmwächter beneidet. Der Turm diente lange Zeit als Feuerwache. Ein Turmwächter versah seinen Dienst und musste auf die Stadt achten und bei Ausbruch eines Brandes die Glocke läuten. Zur Zeit unserer kleinen Geschichte wohnte Erich Graßhoff mit seiner Frau in der kleinen Türmerwohnung. Alle nannten ihn 'Vetter Turmete'. Immer dann, wenn eine der zahlreichen Töpfereien brennen wollte, musste dies dem Turmwächter gemeldet werden. So konnte er die Gegend der Töpferei besser im Augenschein behalten ohne unnütz Feueralarm zu schlagen. Eines Tages sagte der Brennmeister bei Feuerherds zum Lehrjungen: 'Nachher jehste zu Vetter Turmete und meldesten, dat Feuerherds heute Amd brennen.' Der Lehrjunge ging dann auch die Karlstraße und Friederikenstraße runter, über den Kirchplatz und stieg die Treppe zur Turmwächterwohnung hoch. Er besah sich ausgiebig die beiden Glocken und klopfte dann bei Graßhoffs an die Tür. Auf das 'Herein!' trat er in die Stube, hatte seine Mütze schon höflich abgenommen und wartete, dass der mit dem Vespern beschäftigte Turmwächter ihn ansprach. 'Wat willste denn min Junge?', lautete dann auch die Frage an ihn. 'Vetter Turmete, ick soll saren, Feuerherds brenn heite Amd.' - 'Wat sachste min Junge?' Nun schon etwas lauter: 'Vetter Turmete, Feuerherds brenn heite Amd.' - 'Wat haste gesacht?' In der Annahme, dass Vetter Turmete schwer hört, rief er sehr laut: 'Vetter Turmete, Feuerherds brenn heite Amd!' Und schon war der Turmwächter von seinem Stuhl hoch und der Lehrjunge hatte rechts und links eine Backpfeife bekommen. Dazu die Worte: 'Marke dich det, min Junge, ick heeße Jrasshoff.' Volksbräuche An im anhaltischen Kreis Zerbst geübten Volksbräuchen waren üblich das Ringreiten, das Osterwasserholen, das Pfingstgelage und die Spinnichte, als am weitesten verbreitete Bräuche. Ihre Ursprünge reichen wohl alle in vorchristliche Zeit und haben, auch bei weiterem Gebrauch, ihre Bedeutung und feste Ordnungen verloren. Das Ringreiten, zwischen Himmelfahrt und Kleinpfingsten ausgeführt, war ein Wettspiel zur Erlangung des Vegetationsgeistes, der in der Maie symbolisiert war. Das Pfingstgelage, im Volksmund immer Pfingstgelach genannt, ist in manchen Orten noch üblich. Seine ursprünglich feste Ordnung im Ablauf und der inhaltliche Sinn sind aber wohl schon im 19. Jahrhundert in Vergessenheit geraten. Es war ein Frühlingsfest, das nach Abschluss der Frühjahrsarbeiten gefeiert wurde und an das Lachen des Frühlings erinnert. Vor allem in den Gutsdörfern wurde es begangen. Übrig geblieben ist in manchen Dörfern noch das Eibackessen,-Eier, Wurst, Speck und Schinken werden vorher gesammelt-, und das Freibier. In manchen Dörfern ist das Pfingstgelach auch mit dem andernorts üblichen Hammelauskegeln, das auf der Straße stattfand, verbunden worden. Das Osterwasserholen beinhaltete eine Fülle abergläubischer Vorstellungen. Deshalb erregte es den Unwillen der Obrigkeit und wurde 1823 durch eine Verordnung der herzoglichen Behörden verboten. Die Spinnichte (Spinnstube) war an den langen Winterabenden der Treffpunkt der Mädchen, ursprünglich tatsächlich zum Spinnen, und der jungen Männer. Lange Zeit war die Spinnichte eine Pflegestätte des Volksliedes. Nicht immer ist es nach Meinung unserer Voreltern in der Spinnstube löblich zugegangen. Das führte dann auch dazu, dass eine engherzige Verordnung vom 7. Oktober 1825 die Spinnstube verbot. Der Wortlaut dieser Verordnung (Gesetzessammlung des Herzogtums Anhalt-Bernburg, Band III/593) ist folgender: 'Aus den Berichten des Justizamts Coswig vom 31. Dezember v. J. und 1. Oktober c. hat herzogliche Landesregierung ersehen, dass in den dortigen Amtsdörfern im Winter Zusammenkünfte in Spinnstuben, unter dem Namen Spinnichte, gehalten werden, in denen sich die Dienstboten weiblichen Geschlechts unter dem Vorwande zu spinnen, aber auch Knechte und andere junge Leute männlichen Geschlechts sich einfinden. Da nun diesem Unfuge nicht weiter nachgesehen werden kann, weil in solchen Spinnstuben gewöhnlich Zoten gesprochen, Lieder schlüpfrigen Inhalts gesungen, getanzt, unnütze Spiele gespielt und auch beim Auseinandergehen Unzucht getrieben wird, wodurch die Dienstboten nicht nur, statt zu spinnen und zu arbeiten, ihrer Herrschaft die Arbeit entziehen, sondern auch die allgemeine Sittenverderbnis auf dem Lande zunimmt, so wird das Justizamt Coswig hierdurch angewiesen: 1. den Unterthanen und Einwohnern auf dem Lande das Halten der Spinnichte bei 1 Reichsthaler Strafe zu untersagen, und 2. dem Gesinde das Besuchen der Spinnichte bei 24stündiger Gefängnisstrafe nach Analogie des §72 der Gesinde-Ordnung zu verbieten und den Dorfgerichten aufzugeben, auf die Befolgung dieser Ordnung zu halten, auch die Gendarmerie zur dießfallsigen Aufsicht davon in Kenntnis zu setzen.' Trotz dieses Verbots hielt sich aber die Spinnichte bis in die zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts in einer Reihe von Dörfern des anhaltischen Kreises Zerbst. Erst die diktatorischen Systeme, die ein unkontrolliertes Zusammenkommen von Menschen nicht mehr duldeten, haben diesen Brauch ganz zum Erliegen gebracht. Nur in nichtanhaltischen Orten des Flämings fanden noch in den fünfziger Jahren Spinnichte statt. |